MIT CONTI-PNEUS AUF DU UND DU: Mit Pirelli über Kreuz?
■ Beteiligungen der beiden Reifenkonzerne noch unklar
Hannover/Berlin (taz) — Eigentlich wollte der Aufsichtsrat des Hannoveraner Reifenherstellers Continental im November über eine Kooperation mit dem italienischen Konkurrenten Pirelli entscheiden. Doch die entscheidungsreifen Vorlagen sind nicht fertig geworden. Dabei waren sich Branchenkenner relativ sicher gewesen, daß der Weg für ein Zusammengehen des weltweit fünftgrößten Pneu-Produzenten Pirelli mit dem viertgrößten Conti nun frei sei, nachdem am Himmelfahrtstag der damalige Conti-Chef und Pirelli- Gegner Horst Urban geflogen war. Dem Fusionsbegehren hatte Pirelli 1990 durch den Kauf eines Aktienpakets Nachdruck verliehen. Und Urban-Nachfolger Hubertus von Grünberg befleißigte sich offenbar einer freundlichen Verhandlungsführung.
Das Problem scheint diesmal, anders als zur außerordentlichen Conti-Hauptversammlung im März (s. taz 14.3.91), bei Pirelli zu liegen. 1990 hatten sich die Mailänder gemeinsam mit befreundeten AktionärInnen 30 Prozent der Conti-Aktien gekauft — und mehr als 300 Mark pro Aktie, finanziert über Kredite, bezahlen müssen. Bis heute ist das Papier auf 205 Mark abgestürzt. Gleichzeitig wollen die Banken Geld sehen. Deshalb verlangt Pirelli jetzt eine Überkreuzbeteiligung: Conti soll 30 Prozent der Pirelli-Reifentochter kaufen und so Pirelli das Geld für die Bedienung der Kredite geben. In Hannover wiederum können sich, so die 'FAZ', die leitenden Herren nicht einigen, ob sie auf diesen Vorschlag eingehen wollen.
Für ein wie auch immer geartetes Zusammengehen mit Pirelli spricht die Größe des gemeinsamen Unternehmens, das auf 15 Prozent Weltmarktanteil käme. Denn der Reifenmarkt ist global und in Zeiten zurückgehender Autokonjunktur schwierig. Außerdem erhoffen sich Conti und Pirelli Einsparungsmöglichkeiten in dreistelliger DM- Millionenhöhe — was wiederum die Conti-Belegschaft alarmiert, die um ihre Arbeitsplätze fürchtet.
Conti-Chef Grünberg legt sich derzeit nicht fest. „Wir führen einfach offene Gespräche mit dem Ziel, eine Entscheidung zu treffen“, sagte er diplomatisch in einem Interview mit der Zeitschrift 'Finanz + Wirtschaft‘ — und weist gleichzeitig darauf hin, daß doppelte Größe auch doppelte Verluste bedeuten könne.
Ein weiteres Problem der Fusion liegt in der engen Zusammenarbeit der Autokonzerne mit ihren Reifenlieferanten: Damit die Pneus optimal abgestimmt sind, wird Conti frühzeitig von den Großkunden Mercedes, VW, Opel und Ford auch in die geheimsten Projekte eingeweiht. Die Autokonzerne fürchten für den Fall der Kooperation mit Pirelli, daß die Mailänder die Geheimprojekte von Conti erfahren und sofort an ihren Großkunden Fiat weiterleiten — weshalb die Entwicklungsabteilungen ohnehin getrennt bleiben müßten.
Für den nicht völlig unwahrscheinlichen Fall des Scheiterns der Fusion denkt Grünberg außerdem über die Erweiterung der reinen Reifenproduktion hin zu komplexeren Systemen (Reifen plus Felgen, möglicherweise komplette Fahrgestelle) nach. Klar scheint gegenwärtig nur eines: Weder Conti noch Pirelli können so weiterwursteln, wie bisher. Beide schreiben im Reifengeschäft rote Zahlen. Donata Riedel
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