MICHAEL WOLFFSOHN SOLLTE NICHT ENTLASSEN WERDEN : Im Zweifel für den Dummen
Der Historiker Michael Wolffsohn hat gesagt, dass „Folter gegen Terroristen legitim ist“. Begründet hat er dies damit, dass Terror „mit den Bewertungsgrundlagen unserer zivilisierten Ordnung überhaupt nichts mehr zu tun hat“. Anders gesagt: Der terroristische Feind steht außerhalb der Zivilisation, daher hat er keinerlei Anspruch auf Rechte. Und daher darf man ihn auch foltern.
Diese Äußerung ist so abwegig, dass sich auch in freundlichstem Lichte betrachtet nichts Erwägenswertes daran finden lässt. Schwer zu beurteilen ist an diesen Sätzen nur, was abstruser ist: die Idee, dass man Terroristen foltern soll, oder die Begründung, die ganz klassisch den Feind als Wesen definiert, das außerhalb der Menschheit steht. Überraschend, dass diese Weltsicht dazu befähigt, Geschichte an der Bundeswehrhochschule zu lehren.
Kein Wunder also, dass nun Wolffsohns Entlassung gefordert wird. Aber das ist der falsche Weg. Eine Entlassung wäre eine autoritär-bürokratische, politisch allzu korrekte Art, die Diskursordnung wiederherzustellen. Meinungsfreiheit schließt die Freiheit des Irrtums ein, auch des kompletten Irrtums. Und ohne Irrtum keine Wissenschaft.
Pädagogisch wirksamer erscheint eine andere Idee. Wolffsohns Äußerung offenbart tief greifende Wissenslücken, die schleunigst geschlossen werden sollten. Der Professor scheint mit einigen Texten nicht vertraut zu sein, von denen jeder Historiker schon mal etwas gehört haben sollte. Etwa die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die in Artikel 5 Folter verbietet und ausnahmslos für alle Menschen gilt – für Geschichtsprofessoren im intellektuellen Tiefflug ebenso wie für Terroristen. Auch das Grundgesetz Artikel 1 scheint dem Professor nicht ausreichend präsent zu sein. Hilfreich wäre es also, Wolffsohn die Lektüre dieser aufschlussreichen Dokumente ans Herz zu legen. Ja, am besten lernt Wolffsohn die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gleich auswendig: 30 prägnante Artikel, die zu kennen davor schützt, den allergröbsten Unsinn unter die Leute zu bringen. Professor Wolffsohn dürfte damit ein echtes Bildungserlebnis bevorstehen. STEFAN REINECKE