MICHAEL BRAUN ÜBER ITALIENS MINISTERPRÄSIDENT MATTEO RENZI : Erste Blessuren
Wenigstens in einem Punkt waren Italiens Regionalwahlen unmittelbar eine Premiere: Zum ersten Mal ist Matteo Renzi etwas schiefgegangen. Bis zum Sonntag war er der strahlende Held auf der Siegerstraße, der junge Tausendsassa, der – so schien es – mit seiner zupackenden Art von Erfolg zu Erfolg eilte, der in den letzten zwei Jahren die Karten in Italiens Politik neu mischte.
Erst hatte er Ende 2013 triumphal die Urwahlen des Parteichefs in der Partito Democratico (PD) für sich entschieden und die Vertreter des alten Apparats in die Ecke gestellt, dann, seit Februar 2014 auch Ministerpräsident, bei den Europawahlen sensationelle 40 Prozent eingefahren.
Als alternativlos in der italienischen Politik gilt Renzi seither. Und diese Position der Stärke nutzte er, um sein Programm – Arbeitsmarktreform mit Lockerung des Kündigungsschutzes, Wahlrechtsreform, die den mehrheitlich PD wählenden Lehrern verhasste Schulreform – durchzupeitschen, ohne Rücksicht auf Verluste.
Ebendiese Verluste haben sich jetzt eingestellt. Mit Ligurien ging eine linke Hochburg an die Rechte verloren – weil eine Liste von PD-Dissidenten der offiziellen Parteikandidatin die entscheidenden Stimmen wegnahm. Und auch anderswo waren flächendeckend Einbußen zu verzeichnen, wohl auch weil viele PD-Wähler aus der Traditionslinken zu Hause blieben.
Renzi, darauf darf man wetten, wird dennoch nicht den Kompromiss mit der linken Minderheit in der PD und mit den Gewerkschaften suchen. Er weiß, dass er von der zersplitterten Parteilinken wenig zu befürchten hat. Und er weiß, dass auch die Rechtsopposition heillos zerstritten ist. Vorerst bleibt er tatsächlich alternativlos. Doch das muss nicht so bleiben: Eine Spaltung der PD würde eine weitere Zerfaserung des italienischen Parteiensystems nach sich ziehen.
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