„MEMORANDUM“-GUTACHTEN: DEMONTAGE ROT-GRÜNER SOZIALPOLITIK : Doch die Kosten bleiben ein Problem
Der öffentliche Einfluss der alternativen Wirtschaftsforscher von der Memorandum-Gruppe steht in umgekehrtem Verhältnis zur Qualität ihrer Argumente. In ihrem 30. Jahresgutachten nehmen die linken Ökonomen die theoretische Basis der rot-grünen Agenda 2010 auseinander. Dabei arbeiten die Kritiker von Kanzler Schröders Sanierungskurs vor allem mit zwei Thesen. Die Löhne und Lohnnebenkosten hierzulande seien nicht zu hoch, denn der Exportüberschuss belege die internationale Wettbewerbsfähigkeit des angeblichen Sanierungsfalls Deutschland. Zweitens sei unsere Gesellschaft in 50 Jahren doppelt so reich wie heute, weshalb uns die dann höheren Kosten für die Finanzierung der Rente – Stichwort: mehr Alte – nicht zu schocken brauchten.
Alles richtig – und doch machen es sich die linken Ökonomen etwas leicht. Indem sie die Agenda 2010 in Bausch und Bogen verdammen, blenden sie einen Teil der Wirklichkeit aus. In 50 Jahren mögen wir uns eine höhere Zahl von Rentnern wohl leisten können, aber nur wenige Beschäftigte werden Spaß daran haben, inklusive höherer Rentenbeiträge die Hälfte ihres Bruttoeinkommens an die Sozialversicherung abzutreten. Heute sind es noch gut 40 Prozent. Das Sozialsystem der Zukunft basiert nicht nur darauf, was bezahlbar ist, sondern auch auf der Bereitschaft der Beitragszahler, die Kosten zu tragen.
Gesamtwirtschaftlich deutet einiges darauf hin, dass die Position der deutschen Wirtschaft im Weltmarkt nicht schlecht ist. Aber das ändert nichts daran, dass Unternehmen ihre Belegschaften durchaus mit dem Argument niedriger Löhne in den neuen EU-Ländern erpressen. Die internationale Lohnkonkurrenz existiert – und sie nimmt an Schärfe zu. Weil die Höhe des Lohns und der Lohnnebenkosten zwei wichtige, wenn auch nicht allein entscheidende Faktoren für die Ansiedlung von Jobs darstellen, kann es nicht völlig falsch sein, die Kosten des Sozialsystems unter Kontrolle zu halten. Die Regierung ist nicht im Recht, aber so komplett daneben, wie die Memorandum-Gruppe es behauptet, liegt sie auch nicht. HANNES KOCH