MEHR SENF : Bitte auf Rezept
Es gibt Theater, das müsste man auf Rezept kriegen. Das macht jeden Psychotherapeuten arbeitslos. Einfach alle drei Monate „Die (s)panische Fliege“ an der Volksbühne, und Depressionen sind Schnee von gestern.
Ich kannte das Stück schon vorher. Erstens, weil es alle außer mir schon gesehen und davon geschwärmt hatten, und zweitens, weil ich den Fernsehmitschnitt letztes Jahr ungefähr fünfmal hintereinander geguckt hatte. Ich bekam jedes Mal nur die Hälfte mit: Die Lachtränen stahlen mir die Sicht.
Dann schnappte ich mir endlich den einzigen anderen Menschen in dieser Stadt, der das Stück noch nicht gesehen hatte, und bin hingegangen. Herbert hatte gar keine Ahnung, was ihn erwartete. Er war in den Neunzigern das letzte Mal an der Volksbühne. „Hose-runter-Kreischtheater“, sagte er. – „Na ja“, sagte ich.
Wir saßen im Rang ,und ich hatte Sorge, ob die Worte der Schauspieler den Raum füllen könnten bis nach oben zu uns. Dann machte Frau Rois den Mund auf, und alles war gut.
Schon dieses Bühnenbild von oben zu sehen war die Eintrittskarte wert. Herbert machte „Oh“, als der Vorhang sich öffnete. Ich dagegen machte „Ach nee“. Ich hatte mich doch gerade ausführlich mit der Farbe Senfgelb beschäftigt. Sophie Rois trägt als Frau Emma Klinke ein bodenlanges, strahlend senfgelbes Kleid. Ihr Gatte Ludwig Klinke, gespielt von Wolfram Koch, ist übrigens Unternehmer. Senfhersteller ist er, um genau zu sein. Mostrichverkäufer. „Mist!“, sagte ich, „eine Woche zu spät!“ Herbert war nachher ganz stumm vor Glück. „Da muss ich noch mal hin!“, sagte er. Wahrscheinlich komme ich mit. Zur Abrundung des Abends gab es noch Bier und Knackwurst im Prassnick. Mit Senf. Ist ja klar.
P.S.: Falls Sie jetzt Ihre Krankenkasse anrufen wollen: Bitte erklären, dass es nicht um das Potenzmittel selben Namens geht! Das ist giftig. LEA STREISAND