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Archiv-Artikel

MATTHIAS STÜHRWOLDT GRÜNLAND Das Auf und Ab von Apfelmus

Meine Mutter macht alles ein: Birnen, Bohnen, Rotkohl. Für die Lagerung bin ich zuständig – das hält mich fit

Hört sich ja nicht schlecht an, essbare Verpackungen.

Das habe ich auch schon oft gedacht, wenn ich Mudder mal wieder geholfen habe, die eigentlich überflüssigen Wintervorräte einzulagern. Meine Mutter ist 1934 geboren und in harten Zeiten groß geworden. In den ersten Jahren nach dem Krieg hat sie eine Hauswirtschaftslehre gemacht. Sie hat allerhand zum Thema Vorratshaltung gelernt und verinnerlicht. Die Früchte der Natur verkommen zu lassen ist für Mudder undenkbar.

Also wird eingekocht, was das Zeug hält, ohne Rücksicht auf Verluste. Als meine Liebste und ich vor vierzehn Jahren auf den Hof zogen, nachdem meine Eltern aufs Altenteil weitergerückt waren, war der Keller voll mit Wintervorräten aus dreiunddreißig Jahren – so lange hatten meine Eltern auf dem Hof gelebt. Etliche Regalmeter vom Boden bis zur Decke voll mit – vor allem – Marmeladen, Apfelmus, geschälten Birnen, eingekochten Bohnen und Rotkohl. Natürlich alles ohne Etiketten. Kein Erntejahr, keine Angaben zum Inhalt. Als Birte und ich den Keller räumten, holten wir wäschekörbeweise die Früchte von Mudders Arbeit ins Freie, um sie nach allen Regeln der Mülltrennung zu entsorgen. Tagelang stand ich am Misthaufen, öffnete Gläser und teilte auf: Deckel in den gelben Sack, Inhalt auf den Misthaufen, Glas zum Altglas. Währenddessen fing Mudder an, auf dem Dachboden des Altenteils neue Vorräte anzulegen.

Jedes Jahr zur jeweiligen Erntezeit ruft Mudder mich an. Sie ist nicht mehr so gut zu Fuß und kommt die Treppe schlecht hoch. „Maddi, kannst du mir bitte die Bohnen hochbringen? Und die Birnen? Und den Honig?“ Also schleppe ich Gläser hoch. Zwischendurch denke ich: Andere Leute gehen ins Fitnessstudio, ich lagere Vorräte ein. Auf dem Dachboden stelle ich die Bohnengläser vor die Bohnengläser aus dem letzten Jahr, die ihrerseits vor den Bohnengläsern aus dem vorletzten Jahr stehen. Ebenso verfahre ich mit den Apfelmus-, den Birnen- und den Honiggläsern.

Ich habe mal versucht, mit Mudder über die Sinnhaftigkeit ihrer Vorratshaltung zu diskutieren. Zweifel daran lässt sie nicht zu. „Zum Vergammeln ist das zu schade!“, sagte Mudder. Also schleppe ich Gläser hoch, genau wissend, dass ich 98 Prozent davon irgendwann wieder herunterschleppen werde.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich in einigen Jahren wieder mülltrennenderweise am Misthaufen stehen. Was soll ich sagen? Wäre die Verpackung kompostierbar, hätte ich es deutlich einfacher.

Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat