MATTHIAS STÜHRWOLDT GRÜNLAND : Der Schneckenflüsterer
Tschüss, Hightech! Künftig wächst unser Essen in kleinen Gärten. Was also tun gegen Schädlinge? Mit ihnen reden
Als Biobauer interessiere ich mich sehr dafür, was meine Bauernkollegen treiben. Darum fahre ich gewöhnlich etwas langsamer über die Landstraße. Obwohl außer Energie- und Futtermais ja heutzutage links und rechts von der Chaussee nicht viel zu sehen ist.
Manchmal fahre ich auch zu Führungen auf Biohöfen, als Kollege und Konsument. Neulich erst war ich auf einem Fest der Gärtnerei Quecke, folgte Gärtner Andreas durch den Hof. Und dachte an einen Vortrag über den UN-Welternährungsbericht, den ich gehört hatte. Darin hieß es, die Zukunft der Welternährung liege nicht in der Hightech-Agrarwirtschaft westlicher Prägung, sondern in der Vielfalt kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Wörtlich hieß es: Unser Essen wächst in unordentlichen kleinen Gärten. Durch genau einen solchen gingen wir nun.
Gerade standen wir am Salatfeld, als ein Kunde fragte, wie Andreas gegen Nacktschnecken vorgehe. Eine gute Frage, wie ich fand. In meinem bisherigen Leben hatte ich Nacktschnecken nicht als Teil der Schöpfung wahrgenommen. Ich hielt sie eher für ein Zufallsprodukt der Natur. Irgendwann lag irgendwo ein glitschiger Klumpen Materie rum, der plötzlich anfing, zu atmen, zack! Da war die Nacktschnecke. Dazu da, getötet zu werden. Ohne darüber nachzudenken, hatte ich jede Nacktschnecke, die ich sah, platt getreten, sofern ich nicht barfuß war. Besonders liebte ich die Spannung des Gewebes unter der Sohle, Millisekunden, bevor die Innereien hinausplatzten.
Andreas antwortete etwas Kluges. Er zögerte, dann sagte er, dass er mit den Nacktschnecken spreche. Er registrierte das ungläubige Staunen seines Publikums und erklärte, nun ja, jeder rede mit seinem Hund oder Pferd, warum solle er da nicht mit den Nacktschnecken reden. Er habe keine Lust auf einen immerwährenden Krieg mit den Nachtschnecken in seinem Garten, Bierfallen, kochendes Wasser und all das. Die Schnecken seien ohnehin in der Überzahl, also habe er ihnen eine Art friedliche Koexistenz vorgeschlagen. Sie dürften überall fressen, nur nicht zu viel, und die besonders wertvollen Beete sollten sie nach Möglichkeit verschonen.
Andreas’ Philosophie ist mir sympathisch. Seit dem Besuch in seiner Gärtnerei töte ich keine Nacktschnecken mehr. Jedenfalls nicht, ohne nachzudenken.
■ Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat