MATTHIAS STÜHRWOLDT GRÜNLAND : Es ist Liebe
Als das mit dem Golf zu Ende ging, war da plötzlich er: der Saab 900 I, Baujahr 1992. Immer und immer wieder
Ende der Neunziger, als ich mir gerade für den Hof einen 15 Jahre alten Kasten-R4 zulegte und erlebte, wie viel Spaß Auto fahren machen kann, da verschrottete mein bester Freund Dieter seinen Golf. Er war auf dem Heimweg von seiner Arbeit mitten in der Nacht einem Lkw aufgefahren. Den Golf ließ er abholen, er selbst kaufte sich am nächsten Tag einen gebrauchten Saab 900 I, Baujahr 1992. Seitdem ist Dieter begeisterter Saab-Fahrer, obwohl er weder Arzt noch Philosoph ist.
Wenn man Dieter damals auf sein Auto ansprach, leuchteten seine Augen voller – man kann es nicht anders ausdrücken – Liebe. Er rief dann: „Allein die Heimatstadt: Trollhättan! Klingt das nicht märchenhaft?“ Er schwärmte von der Sicherheit des Schwedenstahls, von der Straßenlage, die ein unvergleichliches Dahingleiten ermögliche. Dieter hat ganz Irland in seinem Saab bereist, schlief im Kofferraum und auf umgeklappten Rücksitzen. Später sang Tori Amos: „Driving in my Saab on my way to Ireland“. Dieter war entzückt.
Knapp zehn Jahre war mein bester Freund mit seinem weißen Saab verwachsen. Als der 2008 nicht mehr durch den TÜV kam, hatte er 441.552 Kilometer angehäuft. Dieter kaufte sich einen etwas besser erhaltenen Wagen gleichen Typs und Baujahrs, diesmal in Dunkelblau. Er fragte, ob er den Vorgänger als Ersatzteileträger bei mir in der Maschinenhalle abstellen könne. Ich sagte zu, ich weiß, wie es ist, sich von seinen Autofreunden trennen zu müssen. Wie Neil Young hätte ich am liebsten einen Auto- und Treckerfriedhof auf meiner Ranch, auf dem die Lieblinge ihrem Verschwinden entgegenrosten können.
Noch immer steht der weiße Saab in der Halle und meistens im Weg. Beide Spiegel habe ich ihm abgefahren, und auf die Frontscheibe fiel mir einmal ein Strohrundballen. Doch gelegentlich bauen Dieter und ich wieder Teile aus, für seinen neuen Saab, der inzwischen auch ordentlich Angst vor dem TÜV haben muss. Er hat erst 272.000 Kilometer drauf, und der Motor ist top, aber der Vorbesitzer lebte an der Nordsee, und die salzige Luft dort hat den Schwedenstahl vorzeitig altern lassen. Noch hält der Rost, aber Dieter guckt im Internet längst nach einem neuen 900 I, selber Typ, selbes Baujahr. Der war nämlich schon fertig entwickelt, bevor Saab Tochter von General Motors wurde – in Dieters Augen der Anfang des Endes seiner geliebten Automarke. „Man kann aus einem Saab keinen Opel machen“, sagte er. Wie es aussieht, hatte er recht. Also schaffe ich schon mal Platz in der Halle, in der ich bald zwei 900 I herumstehen haben werde. Es wird mir eine Ehre sein.
■ Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat