MARTIN REEH ZUR REGIERUNGSUMBILDUNG IN RHEINLAND-PFALZ : Das Bauernopfer
Fragen der Nachfolge von Ministerpräsidenten werden in der SPD meist wie in Staaten mit zweifelhaftem demokratischem Ruf geklärt: Schwächelt der Amtsinhaber im öffentlichen Ansehen, sucht er sich persönlich einen Nachfolger, der dann mit übergroßen Mehrheiten von den Gremien abgenickt wird. So war es auch in Rheinland-Pfalz, als Kurt Becks Stern wegen des Nürburgrings sank und er Malu Dreyer zur nächsten Ministerpräsidentin machte.
Dreyer trug als Sozialministerin keine Ressortverantwortung für den Rennstrecken-Skandal. Aber sie hat auch nicht das gemacht, was der heutige Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß tat, als Klaus Wowereits Zenit überschritten war: auf einen anderen Kurs gedrungen und den innerparteilichen Widerstand gegen die Selbstherrlichkeit des Regierenden Bürgermeisters organisiert. Stöß zettelte eine demokratische Abstimmung gegen Wowereits Wunschkandidaten Michael Müller an. Dreyer wartete, bis Beck sie selbst zu seiner Nachfolgerin ernannte.
Die jetzigen Ministerentlassungen und das Aus für Fraktionschef Hendrik Hering sind Bauernopfer: „Ich bin es nicht gewesen, die waren es“, heißt Dreyers Signal angesichts von Umfragewerten, die die rheinland-pfälzische SPD im 30-Prozent-Jammertal zeigen. Der Nürburgring belastet die rheinland-pfälzische SPD noch immer. Eine Fortsetzung von Rot-Grün und damit auch eine sozialdemokratische Ministerpräsidentin nach der Landtagswahl 2016 scheint derzeit in weiter Ferne.
Ob es für Rheinland-Pfalz gut wäre, wenn sich Dreyers Bauernopferstrategie in eineinhalb Jahren rentieren würde? Für die innerparteiliche Demokratie der SPD wäre dies zusammen mit dem Scheitern von Stöß und Saleh bei den Berliner Vorwahlen jedenfalls ein verheerendes Signal.
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