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Archiv-Artikel

MARLENE SØRENSEN LUSTOBJEKTE Das Handy als Drillmeister

Dieser Text konnte erst entstehen, als das Fahrrad aufgepumpt und die Nägel lackiert waren

Zum Beispiel heute. Seit heute Morgen sollte ich eigentlich diesen Text schreiben. Stattdessen habe ich eine Liste der Dinge geschrieben, die zu erledigen sind. Punkt 1: Kolumne. Aber warum nicht zuerst mein Fahrrad aufpumpen (Punkt 5)? Dann könnte ich später auf dem Weg zum Arzt (Punkt 7) das Altglas wegbringen (Punkt 8). Vom Pumpen war ich so erschöpft, dass ich mich aufs Sofa setzen musste. Da ich schon mal saß, habe ich meine Nägel lackiert (Punkt 12).

Habe ich ernsthaft „Nägel lackieren“ auf die To-do-Liste geschrieben? Mein Handy hat mich jedenfalls daran erinnert. Falls das Handy aus ist, erinnert mich der Computer. Hallo! Heute noch Halbestundejoggenwäschewaschenmamaanrufen!

Meine Listen sind vielmehr ein elektronisches Organisationsprogramm, besser gesagt: ein Drillmeister. Jedenfalls klingt mein Handy wie eine Trillerpfeife, wenn die nächste Erinnerung kommt. Aber das war ja die Idee: Ordnung ins Chaos bringen, Struktur schaffen, wo vorher Notizen auf Briefumschlägen standen, die dann aus Versehen im Altpapier landeten. Ich verzettele mich ständig. Jetzt habe ich ein Programm, das mich beim Laufen antreibt. Eines, das beim Kofferpacken hilft. Ein drittes für die Finanzen. Und ein viertes für alles, was übrig bleibt. Geht es nur mir so, dass ich fortlaufend allem hinterherrenne? Manchmal kommt es mir so vor. Etwa, wenn ich meiner Freundin S. auf ihre E-Mail antworte (Punkt 3). S. schreibt immer sehr amüsante Mails. Nebenbei schreibt sie gerade ein Buch, wuppt einen kolossal anstrengenden Job, bastelt am Wochenende für ihre bezaubernd eingerichtete Wohnung und hat keine Augenringe. Oder meine Freundin A., die während ihres Umzugs mal eben einen Laden eröffnet hat, über den sie charmant auf ihrem Blog berichtet und die nie schlecht gelaunt ist. Ich schaffe es noch nicht mal, seit einem Jahr zwei Glühbirnen zu entsorgen.

Obwohl das sicher auch auf der Liste steht. Irgendwo bei „schlechtes Gewissen beseitigen“. Denn die Listen erinnern an alles, was liegen bleibt. Vielleicht schreibe ich auch deshalb „Nägel lackieren“ als Erledigung auf. Macht Spaß, geht schnell, hat ein sichtbares Resultat. Und lenkt wenigstens kurz davon ab, dass viel Größeres konstant übrig ist. Besser zu essen. Endlich das Rauchen sein zu lassen. Entspannter zu sein. Und trotzdem mal darüber nachzudenken, wie das Leben in zehn Jahren sein soll. Bis dahin gibt es vielleicht ein Programm, das die Listen nicht nur schreibt, sondern sie auch erledigt.

Die Autorin ist Journalistin und Fashion-Bloggerin Foto: privat