MARCUS BENSMANN ÜBER DIE OSZE UND DIE WAHLEN IN KIRGISTAN : Wahlbeobachter im Irrtum
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) lobt die Parlamentswahl im zentralasiatischen Kirgistan in höchsten Tönen. Und in der Tat, es war ein Wahlkampf, in dem die Parteien frei und ungehindert um Stimmen werben konnten, und auch die Stimmauszählung scheint von groben Fälschungen verschont geblieben zu sein.
Das Aufblühen der Demokratie gilt für die usbekische Minderheit in Kirgistan aber nicht. Es ist zwar richtig, dass einige Usbeken Listenplätze bekommen und andere sich für die eine oder andere Partei im Wahlkampf ausgesprochen haben.
Die usbekische Minderheit war vor den schweren Unruhen in Juni im Süden des Landes in den Städten Osch und Dschalalabad eine wirtschaftlich starke und politische selbstbewusste Minderheit. Sie verfügte über politisch eigenständige Führer, Fernsehsender, Radiostationen und Zeitungen. Auch wenn es in Kirgistan nicht erlaubt ist, ethnische Parteien zu bilden, so hätten die Usbeken in Kirgistan, wenn es nicht zu den Pogromen gekommen wäre, zweifellos eine wichtige und eigenständige Rolle bei der kirgisischen Parlamentswahl gespielt. Sie hätten politische Forderungen gestellt, auf die die Parteien hätten eingehen müssen, um deren Stimmen zu erhalten.
Nach den Unruhen hat sich das geändert. Die usbekische Minderheit duckt sich in ihren verbrannten Häusern aus schierem Selbsterhalt politisch weg, sie versucht so unauffällig, wie es geht unter, der Titularnation zu überleben. Junge Usbeken wurden wahllos verhaftet und gefoltert. Die Usbeken sind den Übergriffen der Mehrheit hilflos ausgesetzt. Derartige Entwicklungen nehmen natürlich Einfluss auf eine Wahl. Die OSZE müsste daher derartige Vorgänge bei einer Wahlbeobachtung auch benennen. Das tut sie aber nicht, und das ist der eigentliche Skandal bei der Wahl. Demokratie ohne starke Rechte für Minderheiten kann nicht funktionieren, schon gar nicht nach einem Pogrom.
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