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Lokalkoloratur

■ betr.: Kieler Sprotten

Engel haben es leicht, Engel zu sein. Sie sind geschlechtslos und essen nicht. Der Mensch dagegen wendet einen Großteil seiner Energien auf, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Dauernd vernebeln Gelüste das Hirn. dpa- Korrespondentin Anika von Greve-Dierfeld beispielsweise lechzt nach leckeren Kieler Sprotten. Der Drang nach dem Schrumpf- Hering nahm offenbar so stark Besitz von der Adelsfrau, daß sie gestern eine fast poetische Liebeserklärung an die norddeutschen Zeitungsredaktionen tickerte. „Duftend, zierlich und mit einer goldenen Patina überzogen: Die Kieler Sprotte ist ein kostbarer Fisch, voller Vitamine, Proteine und Tradition“.

Wow, soviel Wärme für ein Häufchen Haut und Gräten. Aber wer so gesund ist, verdient das auch. Vitamine und Proteine statt Schwermetall und Geschwüre - die Sprotte ist schon toll. Nur wie die Tradition in das Tier kommt, ist doch etwas rätselhaft. Knabbert das Fischlein etwa an alten Schiffswraks oder antiken Amphoren? Mit dem schweren historischen Balast im Bauch, sieht es dann nochmal so stattlich aus. Wer sich das geräucherte Viech nach der bewährten Methode zwischen die Kiemen schiebt - Kopf ab, bis zum Schwanz in den Mund und abgebissen - der muß sich der Traditionshaltigkeit seiner Leckerei bewußt sein. Nicht, daß sich die Geschichte in den Zähnen festsetzt. Die Sprotte ist tatsächlich etwas Besonderes. Oder wie es Frau von Greve- Dierfeld auszudrücken pflegt: Die Kieler Sprotte ist ein elitärer Fisch. sini

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