Lokalkoloratur:
Das Ergebnis ist bekannt. Tommy Haas hat es wieder mal nicht gepackt, wieder in Australien, und angeblich ist wieder ein Russe Schuld. Der eine hatte dereinst verhindert, dass der Hamburger in Sydney Olympiasieger wurde, der andere gestern, dass er in sein erstes Tennis-Grand-Slam-Endspiel einzieht. Aber das ist natürlich nur die vordergründige Wahrheit, und wann hätte sich die taz schon mal damit zufrieden gegeben? Die eigentliche Ursache für Haas' Niederlage ist nämlich die Anonymität der Metropolen. Haas ist ein verzogener Großstadtbengel, kommt aus der Millionenstadt Hamburg, hat einen Großteil seines Daseins in Floridas Kapitale verbracht, pendelt zwischen Paris, London, New York und Melbourne hin und her. Hat folgerichtig den Kontakt zu Mutter Natur eingebüßt – wann hätte er das letzte Mal eine stolze Holsteiner Kuh muhen hören? So kam es, wie es kommen musste: In seinem Halbfinale wurde er, an sich souverän in Führung liegend, von Vogelgezwitscher so durcheinandergebracht, dass er seinen Faden und das Match verlor. „Scheiß-Vogel“ brüllte er, aber so ein lebendes Wesen ist kein Tamagotchi, das man per Fernbedienung ausschalten kann. Das lässt sich nicht stören, und das von der Schöpfung entfremdete Wohlstands-Jüngelchen wurde von dem Sange gänzlich entnervt. Es war die Nachtigall und nicht die Ballmaschine. aha
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