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■ Lösungsversuch im ostdeutschen Arbeitskampf gescheitertTarifprofis unter sich

Keine Aufregung bitte! Auch wenn der Arbeitskampf in der ostdeutschen Metall-, Stahl- und Elektroindustrie an dramaturgischen Elementen nicht zu überbieten ist – ein echter Tarifprofi läßt sich nicht so schnell aus der Fassung bringen. Die Erfahrung aus vergangenen Streiktagen zeigt, daß erst Bewegung in die fest geschlossenen Reihen kommt, wenn es einmal ordentlich geknallt hat. Soweit ist es an der ostdeutschen Streikfront aber offensichtlich noch nicht, denn wie sonst sollte man sich die Dickköpfigkeit beider Seiten erklären, nach dem neuerlichen Vermittlungsversuch des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf vorerst nicht an den Verhandlungstisch zurückkehren zu wollen? Statt dessen werden weiter markige Sprüche geklopft: Die IG Metall kündigt eine härtere Gangart an, die Arbeitgeber schließen Aussperrungen nicht mehr aus. Doch hinter der medienträchtigen Agitation verbergen beide allzu gerne das hohe Risiko, das sie mit einem eskalierenden Arbeitskampf eingehen: Bei einem flächendeckenden Ausstand, so hat es selbst das gewerkschaftseigene WSI- Institut prophezeit, droht der ostdeutschen Industrie der endgültige Absturz.

Dabei liegen die Positionen gar nicht mehr so weit auseinander, wie es die Rhetorik vermuten läßt. Der von den Arbeitgebern einseitig gekündigte Tarifvertrag soll durch einen neuen, zeitlich gestreckten Stufenplan ersetzt werden – das zumindest haben die sächsischen Metallarbeitgeber trotz des Interventionsversuchs von Gesamtmetall-General Hans Joachim Gottschol signalisiert. Somit wäre die größte Hürde, der Vertragsbruch der Arbeitgeber, zunächst aus dem Weg geräumt. Strittig bleibt jedoch, in welchen Etappen die Angleichung der Ost-Löhne an das West-Niveau erfolgt und ob betriebliche Öffnungsklauseln eingebaut werden sollen. Zu Recht befürchten die Metaller, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten zu können, wenn die Stufen jeweils von der wirtschaftlichen Lage abhängig gemacht werden. Sie setzen auf den wachsenden Unmut, den die alles andere als geschickte Verhandlungsführung der Kölner Gesamtmetall-Zentrale mit ihren Fernsteuerungsversuchen nicht nur bei den Beschäftigten, sondern auch unter den Arbeitgebern auslöst.

Für die Metaller aber gilt: Nicht jeder Schritt nach vorn ist auch ein Schritt nach oben. Je länger der Arbeitskampf dauert, desto höher werden die Erwartungshaltungen der eigenen Klientel. Ein neuer Vertrag zu den alten Konditionen aber wird sich nicht durchsetzen lassen. Schon einmal kassierte eine Gewerkschaft von ihrer Basis einen Denkzettel: Im letzten Jahr lehnten die ÖTVler nach einwöchigem Streik den von ihren Funktionären ausgehandelten Kompromiß bei der Urabstimmung glatt ab. Erwin Single

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