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■ „Life“ und „Starlight“ – Pilotspiele mit Schweigegebot30.000 Deppen haben zuviel Geld

Wuppertal (taz) – „Verdienen Sie bis zu 60.000 Mark monatlich, ohne auch nur einen Handschlag dafür zu tun!“ Das versprechen zumindest die Veranstalter eines Pilotspiels, dem in der Bundesrepublik nach aktuellen Ermittlungen bislang über 30.000 Menschen verfallen sind. Seit zwei Jahren existiert dieses Spiel bereits; mal unter dem Namen „Life“, mal nennt es sich „Starlight“. Sollten Sie allerdings nicht wissen, was Sie mit ihrem Geld Besseres machen können, dann schenken Sie es den Leuten von der Wahrheits-Redaktion. Die würden sich freuen.

Wer sich für einen ausgebufften Zocker hält, über ein Startkapital von 6.500 Mark und die Fähigkeit zum Schweigen verfügt, kann mitmachen. Das Spiel funktioniert nach dem Schneeballprinzip: Man macht seine Freunde, Bekannte und Verwandte auf eine Veranstaltung neugierig, schleppt sie in einen der ständig wechselnden Tagungsräume und überläßt den Rest rethorisch geschulten Mitarbeitern. Jeweils samstags und sonntags finden an verschiedenen Orten gleichzeitig Massenseminare mit garantierter Gehirnwäsche statt. Doch es gibt einen gravierenden Unterschied zu anderen Pilotspielen: Um sicherzugehen, daß wirklich niemand etwas ausplaudert, wird der Teilnehmer gleich zu Beginn des Seminars gezwungen, ein sogenanntes Schweigeversprechen zu unterschreiben, das ihm bei einem Vertragsbuch eine Konventionalstrafe von stattlichen 10.000 Mark einhandelt.

Und dann geht's los: Ohrenbetäubendes Geklatsche der Mitspieler läßt selbst den Skeptiker an seinem Verstand zweifeln. Mit einer einfachen Überweisung von 6.500 Mark, die gleich am folgenden Montag zu leisten ist, wird man bereits Einzelhändler und erwirbt somit das Recht, neue Interessenten zu gewinnen. Für jeden neuen Mitspieler erhält man 1.500 Mark, und schon nach dem dritten neuen Kopf avanciert man zum Großhändler. Das verhilft zu noch mehr Reichtum, denn sobald die eigenen Leute ihrerseits Freunde und Familie mitbringen, kassiert man noch mehr. Das Potential möglicher Mitspieler ist natürlich sehr schnell erschöpft, meistens gelingt es noch nicht einmal, seine 6.500 Mark Startgeld wieder herauszuholen.

Im norddeutschen Nienburg entschied man sich mittlerweile zur Gegenattacke. Dort hat das Amtsgericht in bereits 20 Fällen zugunsten der Mitspieler entschieden, die ihr Geld zurückforderten. Wie ein Oberstaatsanwalt mitteilte, prüften die Gerichte derzeit, inwieweit das Gewinnspiel gegen die guten Sitten verstößt. Das Schweigeversprechen ist nach Rechtsauffassung der Verbraucherzentralen auf alle Fälle rechtswidrig und deshalb ungültig. Dort erwägt man das Erwirken einer einstweiligen Verfügung gegen Life.

Die dubiose AG mit Handelsregistereintragung in Wyoming/ USA hüllt sich indes in Schweigen. Der Geschäftsführer der Repräsentanz in Eystrupp, Joachim Appel, sei angeblich bis September verreist, hieß es. Helga Zander- Hayat von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen kann nur von der Teilnahme an solchen Spielen abraten. Einfache mathematische Berechnungen hätten ergeben, daß schon nach ein paar Monaten ganz Deutschland in das System involviert sein müsse, wenn man den Managern von „Life“ Glauben schenkte. Sie rät den Geprellten zur Klage auf Rückzahlen des Spieleinsatzes, zumal die Methoden der Kreditvermittlung zur Finanzierung des horrenden Einsatzes äußerst zweifelhaft seien. Diese massiven Werbemethoden für das Spiel drängen sogar einen Verdacht auf: Steckt vielleicht die Scientology Church hinter diesem Nepp, wie einige Gerüchte besagen? Ingo Müller

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