Liebeserklärung: Karneval
Die fünfte Jahreszeit hat es nicht leicht. Dabei ist sie eine Insel des Nonsens und des anachronistischen Humors
Der Lacher war ihm sicher: „Wenn du denkst, schlimmer wird’s nicht, kommen auch noch diese irren Karnevalisten ins Kanzleramt“, schloss Moderator Oliver Welke seine Aufzählung der Probleme von Angela Merkel in der „Heute Show“ am 29. 1. Haha. In 14 von 16 Bundesländern dürfte darüber zumindest geschmunzelt worden sein.
Der Karneval ist der Klassenkasper unter den Festen im Kalender. Bei ihm ist nie klar, ob mit oder über ihn gelacht wird. Dabei ist er oft zu unrecht Ziel von Spott und Häme. Er ist eine Insel des Nonsens in einem Alltag, in dem jede Kleinigkeit mit Bedeutung aufgeladen wird und jede noch so sinnfreie Äußerung mehr Aufmerksamkeit bekommt als ihr zusteht (Gruß an die AfD). Diese paar Tage im Februar jedoch brauchen keinen tieferen Sinn als „bütze, danze, fiere“ (küssen, tanzen, feiern). Sie sind eine Trutzburg des anachronistischen Humors. Wo sonst wird noch über Witze wie diesen gelacht: „Ich habe in meinen Garten gekackt, damit ein potentieller Einbrecher denkt, ich hätte einen großen Hund.“ (Markus Krebs am 3. 2.)
Doch in diesem Jahr haben es die „tollen Tage“ nicht leicht, weder im Fernsehen noch bei den Straßenumzügen. Bereits vor einem Jahr haben die Öffentlich-Rechtlichen beschlossen, die Übertragungen 2016 angesichts schwächelnder Quoten deutlich einzudampfen – von neun auf nur noch fünf Karnevalssitzungen. Abseits der Bildschirme wird – gerade in Köln – seit Silvester mehr über Sicherheit berichtet als über das Ereignis an sich. Das hat Konsequenzen. Mehr als 2.000 Polizisten waren an Weiberfastnacht in Köln im Einsatz, doppelt so viele als vor einem Jahr.
Zumindest im Bezug auf die „Heute Show“ hat der Karneval den letzten Lacher auf seiner Seite. Am gestrigen Freitag ist die Satiresendung ausgefallen. Stattdessen lief „Mainz bleibt Mainz wie es singt und lacht“. Et hätt halt noch immer joot jejange.
Ronny Müller
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