: Lieber neue MiGs als alte Mirages
Die chilenische Luftfahrtmesse ist zur zentralen lateinamerikanischen Waffenbörse geworden / Militärs aller Länder bestaunen insbesondere die russischen Angebote ■ Aus Santiago de Chile Thomas Nachtigall
Über den Armenvierteln im Süden Santiagos spielen sie „Top- Gun“. MiG-29-Piloten reißen Rollen, der Kollege in der Sukhoi30 macht eine Art „Männchen“: Maschine hochziehen und dann rückwärts fallen lassen – eine sonst unerreichte Kür unter Kampffliegern. Den vereinigten Militärs von Chile, Argentinien und Peru am Boden bleibt der Mund offen stehen – solch ein Gerät hätten sie auch gern.
Chiles 8. Luft- und Raumfahrtmesse (Fidae) ist zu einer der bedeutendsten Waffenschauen Lateinamerikas geworden. Die Anfänge der Messe waren bescheiden und geheimnisumwittert. Auf der Fidae verkauften Pinochets Generäle und Rüstungsmanager an den Irak Splitterbomben, die explodierten, und dem Iran solche, die vor dem Abwurf krepierten. Ein britischer Journalist, der den Fall recherchierte, kam 1990 auf mysteriöse Weise ums Leben.
Doch seitdem der Neoliberalismus in Chile einen parlamentarisch-demokratischen Mantel trägt, ist alles anders. Stolz werden die Spitzenprodukte präsentiert – eine Art gepanzerter Dünenbuggy oder die Billig-Rakete „Blitz“, die allerdings gegenüber den israelischen und südafrikanischen Vergleichsmustern noch reichlich unterentwickelt wirkt. Dabei ist Entwicklung das Modewort auf dieser Börse. Als ihr Garant werden Satellitenkommunikation und militärische Infrastruktur (speziell in der besonders entwicklungsbedürftigen Antarktis) gefeiert. Und der gemeinsame Formationsflug von argentinischen, peruanischen und chilenischen Jägern gilt als Vorbote der lateinamerikanischen Einheit.
Vor allem die chilenische Luftwaffe ist auf Einkaufstour. Die „Hawk Hunter“, die 1973 Salvador Allende im Präsidentenpalast bombardierten, kommen ins Museum. Doch bei Lockheed und Boeing müssen die Uniformierten mit Spielzeugmodellen vorliebnehmen. Bill Clinton sorgt sich um das strategische Gleichgewicht in der Region und hat Präsentation wie Verkauf von Spitzenprodukten untersagt. Auch bei der Deutschen Aerospace ist die Visite enttäuschend – „Rüstung ist doch ein auslaufendes Modell“, bescheidet ihr Firmenvertreter knapp. Das hindert ihn allerdings nicht, neben Verkehrsflugzeugen auch den Polizeierprobten BO105 Eurocopter und ein paar Luftminen anzubieten. – Andere Europäer sind weniger zurückhaltend. Da Chile trotz Wirtschaftsboom immer noch ein bißchen klamm in der Staatskasse ist, werden geliftete „Mirages“ verschiedenen Alters gezeigt.
„Warum gebraucht kaufen, wenn Sie ein neues Modell haben können,“ antwortet frech MiG- Verkaufschef Alexander Usajew in Anlehnung an einen Slogan der Lada-Reklame.
Die Russen haben die Fidae zu ihrem Sprungbrett nach Südamerika erkoren und vom Sputnik bis zum größten Transporter der Welt alles eingeflogen, was Eindruck macht. Im Sonderangebot gäbe es die MiG29 schon ab 20 Millionen Dollar.
Als Dreingabe könne man gar über eine Beteiligung am russischen Weltraumprogramm reden. Ein verlockendes Angebot: Auf der Skala lateinamerikanischer Höhenflüge würde Chile durch den Mann im All direkt zu Kuba aufschließen.
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