Lieber ledig als lesbisch

„Lust“ verspürt Annette Schavan (CDU) auf das Amt der Ministerpräsidentin in Stuttgart – und nicht auf Frauen

Annette Schavan gilt nicht gerade als Favoritin im Rennen um die Nachfolge von Erwin Teufel als Ministerpräsidentin von Baden-Württemberg. Anders als ihr Konkurrent, der Seilschafter Günter Oettinger, ist Frau Schavan ledig, hat keine Kinder und auch nicht die Absicht bekundet, demnächst heiraten zu wollen.

Im Gegenteil ward sie beobachtet bei Spaziergängen in der Nähe ihres Feriendomizils am Bodensee – mit Frauen. Frauen! Nicht: Männern. Neulich war gar ein Flugblatt aufgetaucht, auf dem zu lesen stand, die Kandidatin lebe in „gleichgeschlechtlichen Verhältnissen“.

Da war endlich öffentlich notiert, was ohnehin geschwätzt wird: Die Bildungspolitikerin, eine Lesbe? Nun ist sie erstmals eingegangen auf die Unterstellung, die als Vorwurf gemeint war. Ihr fehle es zu Gleichgeschlechtlichem an „Eignung, Lust und Neigung“, so Schavan. Ständig müsse sie sich rechtfertigen – wie sie denn zu homosexuellen Beziehungen stünde, „und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch“.

Lesbisch zu sein, gilt wohl als Anwurf, der, so die Kandidatin zutreffend, in ihren Kreisen einem „Rufmord“ gleichkomme, ohnedies „schäbig, absurd“ sei. Offen ist freilich, was den Schaden anrichtet: Dass Lesbisches als etwas zu Diskreditierendes verstanden werden müsse? Oder Homosexuelles tatsächlich etwas Entwürdigendes, Rufmörderisches ist? Fürchtet sie die Instrumentalisierung des Ressentiments? Oder billigt sie es gar, will in eigener Sache damit aber nichts zu schaffen haben?

Sie hat sich nicht erklärt, wie seinerzeit Klaus Wowereit. Dabei hätte sie beispielsweise folgendes sagen können: „Wie auch immer ich privat bin, mit wem ich mein Schlafzimmer teile – es geht keinen etwas an. Die Fragen sollen mich aber unmöglich machen – und das ist inakzeptabel. Lesbisches kann niemals ein Persönlichkeitsmerkmal sein, das gegen seine Trägerin spräche. Es geht in meiner Sache um Politik – und nur über die möchte ich reden.“ Der liberale Teil der Republik würde dann noch wissen wollen: Würde Frau Schavan von der Union für diese souveräne Sprache Beifall bekommen? Man wird es nicht erfahren, ahnt aber doch das Schlimmste: Frau Schavan ist trostlos. JAN FEDDERSEN