: „Liebe taz...“ „Grotesker Rufmord-Skandal“ –betr.: „Frau des Jahres“, taz bremen vom 30.1.1999
Der Uni-Rufmordskandal zu meinen Lasten nimmt immer groteskere Züge an. Nun verkündet auch der Rektor qua Amt Unwahrheiten. Was ist geschehen? Zunächst gab es nichts anderes als den Normalbetrieb universitären Sprachunterrichts. Dann wurden anonym Beschwerden vorgebracht, die bösartig falsche Behauptungen enthielten. Wenn in einem Film über die Lebenswirklichkeit spanischer Jugendlicher das Wort „flirten“ vorkam, hieß es, es sei das Vokabular der Anmache vermittelt worden. Andere Beschwerden sind ähnlich.
Nun ist schon das Beschwerdeverfahren so angelegt, daß es Rufmord eher befördert, denn unterbindet. Umso schlimmer, wenn die Verantwortlichen dann auch noch versagen. Die Damen der Beschwerdestelle ADE glaubten, rechtsstaatliche Prinzipien durch inquisitorische Verfahren ersetzen zu müssen. Ihre Arbeit haben sie damit diskreditiert. Es ist traurig, daß Frauenverbände und Einzelpersonen sich nun in falsch verstandener Solidarität üben. Frauen in ihrem Kampf gegen den real existierenden Sexismus ist damit nicht gedient.
Der Fachbereichssprecher verknüpfte das vertrauliche Gespräch sofort mit meiner Beschäftigungssituation (von wegen Vertraulichkeit, Herr Rektor!). Der in der Klammer Angesprochene prüfte ebenfalls nicht. Das hat, sehr sorgfältig, nur die Presse getan. Ergebnis: von Frauenfeindlichkeit nicht die Spur. Folge: bundesweite Empörung und Hohngelächter über die Bremer Uni.
Der Rektor stellte die Sache ein und mahnte, daß kein Anlaß zur Kritik besteht. Was dies für den Lehrbetrieb bedeutet, hat er anscheinend nicht reflektiert. Daß eine Universität von der offenen Diskussion lebt und nicht von anonymer Denunziation, fiel niemandem ein. Die nicht anonymen Studierenden, die sich aus der Kenntnis der Realität empörten, wurden zu keinem Zeitpunkt ernst genommen. Nun meldet sich Herr Timm (Uni-Rektor, d. Red.) zu Wort und behauptet, es habe – als Methode! – Ausspracheübungen zu Themen wie Geschlechtsverkehr gegeben. Eine unglaubliche, haltlose Diffamierung, wie meine damaligen Kursteilnehmer gerne bestätigen werden!
Was den Rektor bewegt, auf der Basis ungeprüfter Behauptungen und unverstandener Unterrichtsprozesse einen ehemaligen Mitarbeiter in der Öffentlichkeit aufs Übelste zu verleumden, ist mir unklar. Vielleicht ist eher hier eine Methode zu erkennen (siehe Fall Schmitz-Feuerhake). Zu dieser Magnifizenz fällt mir nichts mehr ein, vielleicht aber den Gerichten. Die Professoren müssen sich fragen, ob der Rektor unbedingt Timm heißen muß.
Noch etwas: Nebenbei bin ich auch der Übersetzer eines der bedeutendsten Lyriker der Gegenwart. Da der Chilene Gonzalo Rojas – unter anderem – einige der schönsten erotischen Gedichte der spanischen Sprache geschrieben hat, werde ich dieser legendären Figur der lateinamerikanischen Literatur bei unserem nächsten Arbeitstreffen berichten können, sein Werk hätte an der Bremer Uni keine Chance. Zwei, drei aus dem Kontext gelöste Begriffe würden genügen, ein unsägliches Verfahren loszutreten, dem dann niemand Einhalt geböte, da Beurteilungskompetenz nicht vorhanden, Diffamierungskompetenz aber umso ausgeprägter ist. Erbärmlich!
Reiner Kornberger (betroffener Spanischdozent)
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