: „Liebe taz...“ Butenandt: Das ist nun mal so
Betr.: Antwort auf den Leserbrief von Martin Bensen vom 11. Mai 2000 in der taz „Historische Wahrheit statt Rufmord“
Schon die Überschrift stellt eine ungeheure Arroganz dar: Beverstedts Bürgermeister nennt die bisherigen Rechercheergebnisse namhafter NS-Experten zu Prof. Adolf Butenandts Vergangenheit „Rufmord“, die Resultate seiner eigenen Nachforschungen „Historische Wahrheit“.
Er beschimpft auf niedrigstem Niveau Kolleginnen und Kollegen, fordert dann aber in seinem ersten Satz einen fairen Prozess der Wahrheitsfindung.
Die Behauptungen, im Unterricht seien die Inhalte vermittelt worden, die zu widerlichen Äußerungen seitens der Schülerinnen und Schüler führen mussten, sind falsch und werden als unverschämt zurückgewiesen.
Die „Butenandt-Verfolger“ sind Kolleginnen und Kollegen des Bürgermeisters an seinem Dienstort als Lehrer, die gemäß dem Auftrag der Gesamtkonferenz der Schule „(...) weiter recherchieren, um das Verfahren der Namenrücknahme zu beschleunigen“. Diese KollegInnen haben Adolf Bute-nandt noch nie als „Nazi“ beschimpft.
Wenn M. Bensen die Berichte seines pensionierten Kollegen gelesen hätte, brauchte er zu der Darstellung der Unterdruckversuche des ehemaligen Butenandt-Assistenten und Parteifreundes Ruhenstroth-Bauer mit epileptischen Kindern nicht zum xten Mal zu intervenieren.
a) Die Kinder kamen nicht aus einem Waisenhaus, sondern aus der Mordanstalt Brandenburg-Görden.
b) Es lag zu den Versuchen keine Erlaubnis der Erziehungsberechtigten vor.
Beides hatte der ehemalige Stabsarzt der Luftwaffe durch Rechtsanwälte mit Nachdruck Prof. Müller-Hill gegenüber behauptet. Das ist nun mal so.
Außerdem: Prof. Ruhenstroth hat den Beauftragten der Schule nie eine Gegendarstellung übersandt. Der Kollege Bensen hat diese offensichtlich, hält sie aber zurück.
Der zitierte Bericht des NS-Dozentenbundes der Hochschule Göttingen ist vom Oktober 1936. Butenandt war damals bereits seit fast vier Jahren in Danzig. Von seinem Parteieintritt fünf Monate vorher, wohl durch eine Ausnahmeregelung, wussten seine NS-Dozentenbund-Kollegen offenbar noch nichts, der Betroffene selbst nach 1945 nichts mehr. Zur Frage der möglichen politischen Überzeugung stehen in dem o. g. Bericht einige recherchierte Hinweise. Jeder Interessierte kann sie nachlesen.
Ferner: Ab 1936 begann Adolf Butenandts Karriere an der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) in Berlin doch erst so richtig. Auf seine ausgesprochene Loyalität dem politischen System gegenüber konnten sich die Nationalsozialisten verlassen.
Gemäß einer Aktennotiz vom 12. Mai 1936 hat Butenandt die Generaldirektion der KWG darum gebeten, dass sein jüdischer Amtsvorgänger Neuberg in keiner Beziehung zum Institut mehr stehen soll. Auch das ist nun mal so.
Andreas Ries, Fred Baltrusch, Helene Eißen-Daub, Fritz Hoppe, Horst Roese
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