piwik no script img

■ LesetipInformationssysteme neu gestalten

Die Informationstechnik und ihre Anwendungen haben in den letzten 30 Jahren die westlichen Industriegesellschaften grundlegend verändert. Warum sind Computer und computergesteuerte Systeme so erfolgreich – und warum machen sie uns so viel Schwierigkeiten? Ist die Technik schuld, oder ließe sich durch geeignete Gestaltungsmaßnahmen eine „sozialverträgliche“ Informationstechnologie schaffen?

Der Bremer Rechtsinformatiker Wilhelm Steinmüller hat ein dickes Buch vorgelegt, in dem auf diese und viele andere Fragen fundierte Antworten gegeben werden. Zunächst beschreibt er, welche Lücke zwischen der Informatik als „Wissenschaft von den formalen Strukturen der Informationsverarbeitung“ einerseits und den Anwendungs-Informatiken (Wirtschaftsinformatik, Rechtsinformatik etc.) anderseits klafft und fordert daher eine „Angewandte Informatik“, die die Gestaltung von Informationssystemen erforscht. Anschließend untersucht er, was Informationssysteme sind, welche Folgen sie haben und wie sie gestaltet werden können, gibt sich also Mühe, seinen Beitrag zur Schließung der Lücke zu leisten. Herausgekommen ist dabei eine umfangreiche Bestandsaufnahme und reichhaltige Sammlung konkreter Vorschläge, wie bestehende Systeme um- und zukünftige neu gestaltet werden können.

Da das Buch im besten Sinne interdisziplinär ist, werden wichtige Begriffe sorgfältig eingeführt, begründet und von bestehendem Fachvokabular abgegrenzt. So versteht Steinmüller „Information“ immer als „Information-wovon-für-wen-wozu“, weil es für die Analyse und Gestaltung von Informationssystemen unverzichtbar ist, zu wissen, wer zu welchem Zweck für wen worüber Daten sammelt oder weitergibt. Es folgt zwangsläufig, daß dabei alle Beteiligten (auch die „nur“ Betroffenen) und ihre Beziehungen untereinander sowie ihre zum Teil widersprüchlichen Interessen berücksichtigt werden müssen. Erst dann können die spezifischen Eigenschaften der Informationstechniken genutzt werden, insbesondere die technisch gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten. Allerdings: Informationstechnologie ist so gestaltbar wie Beton – nachher ist sie fest! Ausführlich wird geschildert, wie sich die bisherige Informationstechnologie entwickelt und ausgewirkt hat. Datenschutzinteressierte finden Beschreibungen bestehender und wünschenswerter juristischer Regelungen. An Informationssystem-Einführungen Beteiligte können eine „systemanalytische Scheckliste“ nutzen. Im letzten Kapitel werden Vorschläge gemacht, wie neue Systeme, insbesondere die computergesteuerten „Netze“ der Telekom, gestaltet werden können.

Obwohl als wissenschaftliches Lehrbuch konzipiert, ist es gleichzeitig für interessierte Laien gedacht und geeignet, weil es durch ausführliche Definitionen und Beispiele lesbar bleibt. Hauptnachteil ist der hohe Preis – StudentInnen sei hiermit ein Anschaffungsvorschlag in der entsprechenden Institutsbibliothek empfohlen. Ute Finckh

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen