LeserInnenbriefe:
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Grandiose Realsatire
betr.: „Frag die Mittelschicht“, taz vom 7. 9. 16
Die Mittwochausgabe war die beste taz seit langer Zeit. Den Beiträgen zu der MV-Wahl und der Europaschelte des UN-Kommissars für Menschenrechte, Seid Raàd al-Hussein, kann ich voll und ganz zustimmen.
Grandios die Realsatire von Georg Seeßlen zum Thema Mittelschicht. Er bringt es mit seinen Kommentaren immer wieder auf den Punkt. Hierzu noch ein Gespräch, das meine Schwester in einem Restaurant mit einem sogenannten“Mittelschichtler“ führte. Er, von Beruf ein ehemaliger Polier, beschwerte sich, dass ihm die Flüchtlinge die Rente kürzen würden und überhaupt der Islam eine Sekte sei. Worauf ihm meine Schwester antwortete, dass der Islam eine Weltreligion sei, aber es in allen Weltreligionen Sekten gebe. Das gefiel der Gattin des ehemaligen Maurers überhaupt nicht und sie meinte, man müsse die Rente meiner Schwester kürzen. Da fällt einem nichts mehr ein zu so viel Schwachsinn. HEINZ SCHÖNBERGER, Kempten
Böses kommt banal daher
betr.: „Ich bin zornig“, taz.de vom 6. 9. 16
Die Rede des UN-Kommissar kann wirklich entflammen, das kann auch gut tun. Nachdem ich gründlich Alains Badious „Wider den globalen Kapitalismus“ studiert habe, habe ich jetzt das Gefühl eines klaren inneren Bildes von Ursachen und Wirkungen.
Wenn Unsicherheit und Angst da sind, dann muss auch ein Verstehen her, durchaus auch ein Feind. Aber kein armer Flüchtling, sie sollten da aufklärerisch hilfreich tätig sein, auch, wenn die Finanzoligarchie weder sichtbar noch greifbar ist.
Wo sind meine Kollegen, warum melden sie sich nicht zu Wort, warum wird hier verstummt?
Die Psychologie kann sich jetzt mal Strümpfe und Schuhe anziehen, um zu zeigen, dass sie nicht nur im Einzelsetting oder Gruppensetting was kann. Wir sollten alle etwas regsamer werden, um „der Fabrik von Täuschung, Borniertheit und ethnischem Nationalismus“ (al-Hussein) etwas entgegenzusetzen und solchen Widerlingen wie Wilders und Konsorten.
Das Böse kam schon immer banal daher. Wo ist das Aufbegehren? Wehret nicht nur den Anfängen. URSA SÜNNEMANN, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin, Kassel
Hässliche Fratzen blöken laut
betr.: „Europa, der hässliche Kontinent“, taz vom 7. 9. 16
Super, der Kommentar von Dominic Johnson! Und super, die Brandrede des jordanischen UN-Diplomaten! Spieglein, Spieglein an der Wand …Zeit, dass die ihre Stimme erheben, die für das helle und freie, tolerante Europa stehen. Das schöne Europa. Die düsteren hässlichen Fratzen blöken einfach zu laut! Die dürfen nicht die Oberhand gewinnen! HEIKE RÖTTGEN
Energischer Widerspruch
betr.: „Die Bürgergesellschaft tut allen gut“, taz vom 27. 8. 16
Ich möchte der Leserbriefschreiberin Claudia Pinl („Großes Gewese“, taz vom 2. 9. 16) energisch widersprechen. Leider erwähnt sie nicht, wie sie auf ihr „Wissen“ kommt.
Ich bin seit 1974 ehrenamtlich tätig, vorwiegend im Bereich Hilfe für Senioren und Menschen mit Behinderungen/chronisch Kranke. In der Vor-Kohl-Ära waren es allein engagierte „fürsorgliche“ Menschen, die sich der Einsamen und Hilflosen angenommen haben, es gab keine Pflegeversicherung und ähnliche Systeme. Einkaufen, Begleitung bei Ausflügen, Kohlen schleppen, vorlesen, Verbandwechsel und so weiter, wurden ohne Bezahlung geleistet. Das auf vor beziehungsweise nach Kohl zu reduzieren, greift eindeutig zu kurz.
Tatsache ist vielmehr der Paradigmenwechsel von der „bösen“ Fürsorge zur selbstbestimmten Teilhabe im Sinne einer Vollkaskoversicherung mit 24-Stunden-Assistenz. Die anstehenden Kürzungen im Bundesteilhabegesetz (BTHG) sind nur eine Konsequenz aus den teilweise exorbitant hohen Assistenzkosten. Wie so oft fehlt in Deutschland das Augenmaß für den goldenen Mittelweg. Die Mehrheitsgesellschaft ist ja nicht willens, so hohe Sozialabgaben zu zahlen wie in Skandinavien.
Hier nun die Ehrenamtlichen als Steigbügelhalter des neoliberalen Kapitalismus zu geißeln, tut den Hilfeleistenden wie Hilfeempfängern gleichermaßen Unrecht. Und wenn diese nicht – nach Claudia Pinl – die Kollateralschäden abmildern würden, hilft das den Obdachlosen und anderen sozial schwachen Gruppen auch nicht weiter. Oder glaubt Frau Pinl ernsthaft, dass dann Frau Merkel derartige Hilfen staatlich regeln wird?
PEER MASSMANN, Pattensen
Kein überzeugender Entwurf
betr.: „Verstockte Debatte“, taz vom 7. 9. 16
Für meine Begriffe ist die „Bürgerwippe“ als Wiedervereinigungssymbol kein überzeugender Entwurf. Sie symbolisiert viel eher den politischen Prozess, wie er im Parlament stattfindet. Wunderbar wird damit veranschaulicht, was passiert, wenn Abgeordnete die Seiten wechseln, beziehungsweise durch gute Argumente zu einem anderen Abstimmungsverhalten bewegt werden.
Die Wippe sollte deshalb vor dem Reichstag/Bundestag stehen. Ein Wiedervereinungsdenkmal von Eduardo Chillida steht doch schon vor dem Bundeskanzleramt. ECKEHARD HIMMLER, Warburg
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