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LeserInnenbriefe

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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Das Gegenteil von Menschlichkeit

betr.: „Flüchtlinge und Bildungsbürger“, taz vom 18. 3. 16

Heinrich August Winklers Thesen zur Flüchtlingspolitik sind nicht nur deshalb so verheerend, weil sie das diesjährige Motto der Leipziger Buchmesse „Für das Wort und die Freiheit“ zur Makulatur machen. Wer Winkler und seinem Laudator Volker Ullrich folgt, muss humanitäre Asylpolitik aus der Sicht unserer östlichen Nachbarn her definieren, für die eine solche jedoch nicht existiert. Er ist infolgedessen fremdbestimmt. Humanität misst sich jedoch nie an dem, was von Rednerpulten, Schreibtischen und Kanzleien aus an Worthülsen in die Welt geschickt wird, sondern an dem, was sich in der Begegnung zwischen Mensch und Mensch ereignet. In der Kita, die Flüchtlingsfrauen zum Kaffee lädt und deren Kinder in den Werkraum schickt, in dem Gemeinschaftsgarten, den Einheimische und Neuankömmlinge zusammen bewirtschaften, in den Wohnzimmern, wo ehrenamtliche Vormünder mit ihren Schutzbefohlenen Deutsch lernen … Hier werden die Grenzen der Aufnahmefähigkeit erprobt, aber wie albern ist dieser Begriff für diejenigen, die bemerken, dass ihnen mit jedem Tag diese Menschen mehr ans Herz wachsen und ihnen zudem Familie und Freunde zur Seite springen! Menschlichkeit, die man übt, wächst, greift um sich und wirkt ansteckend. Sie wünscht sich ein konstruktives gesellschaftliches Umfeld und nicht kleinliche Debatten, mit denen das Gegenteil von Menschlichkeit legitimiert wird. GUDULA FRIELING, Dortmund

„Der Ausländer muss …“

betr.: „Diagnose unter Verdacht“, taz vom 14. 3. 16

Der Beitrag von Frau Dribbusch zur Beseitigung gesundheitlicher Abschiebehindernisse im Asylpaket II war gut und wichtig. Aber die Reichweite der hier angesprochenen neuen Paragrafen 60 und 60 a Aufenthaltsgesetz ist doch größer. Schwere Erkrankungen können nur noch ein Abschiebehindernis darstellen, wenn sich dadurch die Erkrankung „lebensbedrohlich“ verschlechtert. Das betrifft gerade nicht nur psychisch, sondern auch somatisch schwer Erkrankte. Bei Traumatisierten ist ein psychischer Zusammenbruch durch die Abschiebung mit Gefahr von Suizidalität möglicherweise klarer vorhersehbar als bei Verschlechterungen bei körperlich Schwerkranken im Verlauf von fünf Stunden Abschiebedauer. Dies müssten approbierte Ärzt*innen durch Atteste nachweisen, welche fünf gesetzlich geforderten Kriterien genügen müssen – und diese Atteste müssen binnen zwei Wochen beigebracht werden! Das ist für Geflüchtete oder Geduldete, denen gerade die Abschiebeandrohung ins Haus kam, nahezu unmöglich. So wird die völkerrechtliche und grundgesetzliche „Verpflichtung des Schutzes von Leib und Leben durch unhaltbare Verfahrensregeln ausgehöhlt“, wie der Deutsche Anwaltverein mitteilte.

Es geht also nicht nur um die skandalöse Abwertung der Psychotherapie und im Besonderen der posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Und es ist wenig hilfreich, wenn taz-Leserin und Psychotherapeutin Andrea Sacher verkündet, die Diagnose PTBS (unter Flüchtlingen aufgrund von Gewalterfahrungen besonders stark verbreitet) werde „nach dem Gießkannenprinzip angewendet“ (16. 3.) – ich wüsste gerne, womit das belegt werden soll. In der Untersuchung aus NRW von 2011, die auch Frau Dribbusch zitiert, wird zwar ähnlich der Verdacht von Gefälligkeitsgutachten gestreut, aber aus einem der ganz wenigen empirischen Belege darin geht hervor, dass 6 Prozent der Krankheitsgutachten bei Abschiebungen in NRW „unbeachtlich“ gewesen seien – also hatten 94 Prozent Hand und Fuß.

Dies störte die Abschiebepraktiker, und sie haben sich auf ganzer Front durchgesetzt. Man muss sich nur einmal die Tonlage zu Gemüte führen: „Der Ausländer (!) muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen (!) kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft (!) machen.“ Die Art und Weise, wie hier der ganze Demokratieprozess ausgehebelt wird: Das ist der zweite Skandal.Rainer Neef, Göttingen

taz goes Swabia

betr.: „Kompromister Germany“, taz vom 19. 3. 16

Sehr geehrter Herr Unfried, wenn Sie mit Ihrem Artikel „Kompromister Germany“ ausdrücken möchten, dass die Grünen in Baden-Württemberg deshalb in dieser Höhe gewählt wurden, weil sie dort die bürgerliche Mitte repräsentieren, dann stimme ich zu. Ist ja nicht der erste Artikel, mit dem Sie dies als den richtigen Weg für die Grünen postulieren. Nur sollten wir dann auch darüber diskutieren, was die Grünen im Schwabenland noch von einer Mischung aus Merkel-CDU und FDP der 70/80er Jahre unterscheidet. Die Mülltrennung fällt mir da ein, damit kann man in den Stuttgarter und Tübinger Vororten bestimmt punkten.

Ich habe die taz abonniert, weil sie in etwa meiner politischen/gesellschaftlichen Meinung entspricht, ansonsten könnte ich gleich die Rheinische Post abonnieren, da wäre dann wenigstens ein Lokalteil dabei. Wenn ich jedoch Sätze wie „wie es sich das linke Hänschen klein immer vorgestellt hat“, „die Sorge, ein Grüner ist nicht mehr grün, weil zu mittig, ist auch nur eine Form von Weltflucht“, „was ist gewonnen, wenn man den Cayenne-Fahrer ins Lager der Bösen verweist?“ lese, muss ich mir Gedanken machen, ob ich mein Geld immer noch richtig investiere. Dazu passt natürlich auch, dass ich seit einiger Zeit ungefragt eine schwäbische Regionalbeilage erhalte, ich aber andererseits Lokalnachrichten aus meiner Region (Niederrhein/Ruhrgebiet) vermisse. Also die Richtung ist klar, taz goes Swabia. Geht doch rüber übern Neckar. Friedhelm Böckmann, Alpen

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