LeserInnenbriefe:
taz.die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin
briefe@taz.de | www.taz.de/Zeitung
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.
Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Unterkomplexes Denken
betr.: „Die trübste Tradition“, taz vom 23. 6. 15
Da eine Umfrage ergeben hat, dass die Deutschen mehrheitlich ihren Nato-Partnern im Falle eines russischen Angriffs nicht beistehen würden, macht sich Sonja Vogel gewaltige Sorgen. Prangert Antiamerikanismus, unterkomplexes Freund-Feind-Denken an, sieht natürlich auch die Linke schon als Kampfgenossen des Aggressors Putin an. Ich frage mich, wer hier unterkomplex denkt. Ich neige eher zu Sonja Vogel.
Ich denke, man sollte eine Umfrage getrost in den zeitlichen Kontext einordnen. Und sich zudem die Fragestellung genau anschauen. Gefragt wurde nicht etwa, ob die Deutschen generell im Konfliktfall (so Vogel) ihren Partnern beistehen würden, sondern ob sie dazu bei einem russischen Angriff bereit wären. Wenn man sich derzeit umschaut, deutet eben reichlich wenig auf einen russischen Angriff hin, umso mehr aber auf Nato-Kraftmeiereien. Großmanöver in der Ostsee unter US-Führung, dabei auch Landungsübungen; US-Pläne für die Lagerung von 5.000 Panzern (klar: reine Defensivwaffen!) in osteuropäischen Staaten; Nato- und deutsche Zusagen für mehr Militärpräsenz im Baltikum/in Osteuropa; demonstrativer US-Militärkonvoi mit über hundert Fahrzeugen auf dem Rückweg aus dem Baltikum durch mehrere östliche Nato-Staaten bis nach Bayern; dazu US-Ausbilder in der Ukraine, die sich nicht etwa einem russischen Angriff ausgesetzt sieht, sondern in einem Bürgerkrieg steckt, den die gegenwärtige Führung in Kiew im Vertrauen auf westliche Unterstützung gegen Teile der eigenen Bevölkerung durchzufechten gedenkt; dazu westliche Propagandasorgen wegen der von Moskau angekündigten Modernisierung des eigenen – natürlich bösen – Atomwaffenarsenals, während die laufende Modernisierung der – selbstverständlich! guten – US-Atomwaffen mit Schweigen übergangen wird.
Dass angesichts dieser Nachrichten die Deutschen mehrheitlich zu Recht weniger an einen Angriff Russlands denken als sich wegen der Nato Sorgen machen, halte ich nicht für „unterkomplexes Freund-Feind-Denken“. Denn nicht zu vergessen: Die Nato hat seinerzeit – begleitet von Propagandalügen wie Scharpings berüchtigtem „Hufeisenplan“ – einen Krieg gegen Serbien begonnen, der übrigens den Balkan nicht etwa friedlich gemacht hat, aber – neben immensen Zerstörungen – die Einrichtung einer schönen großen US-Militärbasis im Kosovo als ein sichtbares Ergebnis hatte.
HEIKO SCHLOTTKE, Trappenkamp
Rhetoriker und Demagoge
betr.: „Gabriels Schpeltheorie“, taz vom 24. 6. 15
Rhetorische Frage: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Einfache Antwort: Nie. Aber so einfach ist es nicht. Gabriel führt ja. Leider. Er übernimmt Elemente von Schröders Basta-Politik, der Rest sind Schleimscheißerei, Demagogie und fette Lügen. So führt Gabriel die SPD geradezu in die 10 Prozent + Region. Viel Erfolg dabei.
Aus Schultes Kommentar ist der übliche Phantomschmerz zu spüren, der das linke Spektrum quält: SPD, was ist aus dir geworden? Verlässlich ist nur, dass sie links blinkt und nach rechts abbiegt. Und das mit schlafwandlerischer Sicherheit. TTIP, Vorratsdatenspeicherung, Griechenland. Die taz berichtete.
Bei solchen Ausfällen wie in der Bild-Zeitung – „teilweise kommunistische Regierung“?! – fühlt man sich in die 50er Jahre gebeamt. Die „Tagesschau“ gestern Abend setzte leider noch einen drauf: Kommunistische Demonstranten in Athen hätten eine bolschewistische Revolution gefordert. Ja geht’s denn journalistisch noch tiefer, Rückgriff auf Goebbels-Jargon?! Wo sind wir nur hingekommen?! Die Ressentiments, die dort geschürt werden (sollen), sind gezielt und erfolgreich im Einsatz, um vom Nachdenken über die tatsächliche Lage und andere Auswege, als die von Deutschland geforderte „Austeritätspolitik“, nachzudenken.
Gabriel muss man übelnehmen: Er macht es mit Kalkül. Er ist Wiederholungstäter. Er ist nicht nur ein guter Rhetoriker, sondern leider auch ein noch besserer Demagoge. Und ein Schleimscheißer obendrein: siehe seine Äußerungen beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos, als er sich von der Öffentlichkeit abgeschirmt glaubte.
WOLFRAM ROGER, Bremen
Wer ist gemeint?
betr.: „Gabriels Spieltheorie“, taz vom 24. 6. 15
Der ganze Artikel dreht sich um Sigmar Gabriel und die SPD, aber im letzten Absatz spricht Herr Schulte plötzlich übergangslos von einer „linken Volkspartei“. Wen, zum Teufel, meint er denn damit?
WERNER HUTH, Ascheberg
Auf Leben und Tod
betr.: „Propagandaschlacht auf hoher See“,taz vom 23. 6. 15
Wer technisch hochgerüstet ist, produziert massenhaft, erobert Märkte und gleicht das Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen durch den Exportüberschuss wieder aus. Dafür wuchern in anderen Ländern Verschuldung, Arbeitslosigkeit, Elend, Chaos, Diktaturen und Bürgerkriege. Kippte nicht auch Deutschland 1933 in eine Diktatur um, als die Wirtschaft am Boden lag?
Der globalisierte Weltmarkt ist heute eine Kampfarena auf Leben und Tod. Der dort stattfindende Wirtschaftsimperialismus muss geächtet werden, so wie auch Angriffskriege geächtet wurden. Ich möchte Frau Merkel und Herrn Schäuble wieder mal einen Besuch beim Papst empfehlen.
HANS OETTE, Neuenstadt am Kocher
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen