Lernen mit Popcorn in Wuppertal: Überfüllte Uni weicht ins Kino aus
Im Multiplex Wuppertal gibt es neuerdings morgens Vorlesungen - inklusive Popcorn und Cola. Die Bergische Uni ist derart überfüllt, dass die Studenten ins Kino verlegt wurden.
Am Dienstagmorgen war es wieder so weit. Um der Massen an neuen Studierenden Herr zu werden, musste die Bergische Universität Wuppertal einen Kinosaal im örtlichen Multiplex anmieten. Bereits vor zwei Wochen, als das Kino erstmals als Ausweichhörsaal gebucht wurde, kamen weit mehr als die erwarteten 700 Hörer. Eng gedrängt folgten die Studierenden den Dozenten. Sogar die Notausgänge waren mit jungen Menschen gefüllt.
Um ein solches Chaos in Zukunft zu vermeiden, werde man weitere Veranstaltungen auf die Leinwand der anderen Kinosäle übertragen, erklärte daraufhin der Geschäftsführer des Kinos, Detlef Bell. Der Rektor der Uni, Volker Ronge, ist von der Situation nicht begeistert. "Wir werden wieder einen Numerus clausus in den entsprechenden Fächern einführen", sagte er dem Internetforum "Engelszunge". Allerdings räumt er ein: "Ein Numerus clausus bedeutet, dass viele Studenten gar nicht mehr an die Universität können."
Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) wirft Landesregierung und Uni-Leitung vor, für die vielen Studienbewerber nicht genug Mittel zur Verfügung zu stellen. Der Unmut vieler Studis kam dem AStA gelegen, der schon länger Maßnahmen gegen Studiengebühren plante. Vergangenen Mittwoch beschloss die Vollversammlung der Studierenden prompt einen Gebührenboykott. Die Studiengebühren von 500 Euro pro Semester sollen, so der Beschluss, auf ein Treuhandkonto überwiesen werden. Wenn 3.500 Studierende - ein Viertel aller Immatrikulierten - teilnehmen, bleibe das Geld auf dem Konto.
Mit der Hochschulverwaltung wolle man dann in Verhandlungen über die Streichung der Gebühren treten, erklärt die AstA-Vorsitzende Cendresa Sadiku. Werde das Quorum nicht erreicht, werde das gesammelte Geld fristgerecht an die Uni überwiesen, damit Boykottierer nicht ihren Studienplatz gefährden.
Michael Kroemer, Pressesprecher der Bergischen Universität, teilte mit, dass man von der gestiegenen Nachfrage von 66 Prozent an Studienbewerbern im Fach Germanistik überrascht wurde. Zwei andere Unis im Rheinland, Düsseldorf und Bonn, bieten seit diesem Semester kein Lehramtsstudium mehr an. Trotzdem konnte man nicht mit solch einem Zuwachs an Interessenten rechnen.
"Fächer wie BWL und Ingenieurwissenschaften können viel leichter Drittmittel aus der Wirtschaft aquirieren", erklärt Bastian Wefes vom AStA die dramatische Entwicklung. Jede Uni versuche, die lukrativsten Fächer zu fördern. Brotlose Künste wie Politikwissenschaften oder Philosophie seien bei Hochschulplanern deshalb zurzeit nicht sehr populär. Die Selbstverwaltung der Hochschulen würde inzwischen chaotische Verhältnisse geradezu heraufbeschwören, so Bastian Wefes. Die Videoübertragung sehen viele Studenten kritisch. "Einer Leinwand kann ich keine Fragen stellen", erklärt ein verärgerter Erstsemester.
Der Sprecher der Uni Wuppertal sieht das ganz anders. "Videoübertragungen von einem Hörsaal in den anderen sind seit vielen Jahren üblich." Als Schreibunterlage könne ein Klemmbrett mitgebracht werden, und auch die Parkplatzsituation am Kino sei hervorragend. Bleibt nur noch die Frage. Welchen Pausenimbiss bekommen die jungen Leute serviert? Der geschäftstüchtige Kinobetreiber hat ab acht Uhr morgens Popcorn und Cola im Angebot.
Es hätte schlimmer kommen können. Zunächst plante die Universität, die Vorlesungen nicht im Kino stattfinden zu lassen - sondern in einer Kirche.
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