Leo Kirch weiter vor Gericht: Die Rache des Untoten

Leo Kirch, der größte deutsche Medienmagnat, starb 2011 – und lebt doch weiter. Das Jahr 2012 wird für Leo Kirch anstrengend. Schuld ist die Deutsche Bank.

Leo Kirch beim Schadenersatzprozess gegen die Deutsche Bank im März 2011. Bild: dpa

Eigentlich hätte man es wissen können. Dass seine irdische Hülle im vergangenen Sommer, mit allen Sakramenten der heiligen Mutter Kirche versehen, bestattet wurde, bedeutete natürlich nicht das Ende. Nein, Leo Kirch lebt weiter, in den Firmen, die alte Freunde weiterführen, im Beta-Brunch auf der alljährlichen TV-Messe Mipcom in Cannes – und jetzt auch wieder vor Gericht. Dass sich der alte Fuchs mit einem mauen 800-Millionen-Euro-Vergleich mit der Deutschen Bank zufrieden gegeben hätte, ist auch schwer vorstellbar.

Natürlich gerät so etwas in Zeiten, in denen immer absurdere Eurobeträge an notleidende Exbundespräsidenten, Kreditinstitute und Länder gezahlt werden, etwas aus dem Blick. Aber Kirch hat 2002 schließlich die bis dahin größte Unternehmenspleite in der Geschichte der Bundesrepublik hingelegt: Sender stehen knapp vor dem Aus, die Deutsche Fußball Liga wackelt, und nur Verlegerin Friede Springer hat gut lachen, weil plötzlich der ungeliebte Großaktionär Kirch weg vom Fenster ist. Dafür nur lumpige 800 Millionen, das erscheint wirklich nicht viel. Peanuts geradezu – auch wenn in der Groteske „Kirch gegen Deutsche Bank“ nicht mehr Erdnussfreund Hilmar Kopper, sondern Rolf Breuer am Ruder war.

Der gibt im Februar 2002 ein folgenschweres Interview. Bei Kirch kriselt es schon gewaltig, und Bankchef Breuer zieht – angeblich unbewusst – in einem Interview schon mal den Schlussstrich: „Was man alles lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder sogar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“

Und die Lawine bricht los, Kirch wehrt sich noch sechs Wochen, im April kommt das Ende. „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen“, sagt Kirch noch kurz vor dem Untergang seines Imperiums in einem seiner seltenen Interviews. Keiner ahnt damals, dass hier Breuer gemeint ist. Doch sofort nach der Insolvenz 2002 klagt Kirch, dass ihn Breuers Ansage in die Pleite geritten hätte.

Letzter Auftritt Prozesstermin

Anfang 2006 urteilt der Bundesgerichtshof, Breuer habe mit seinen Aussagen das Bankgeheimnis und seine Dienstpflichten verletzt. Allerdings erstrecken sich Kirchs Schadenersatzansprüche nur auf einen Teil seines Konzerns, und außerdem soll der alte Herr belegen, welcher Schaden wo entstanden ist.

Das wird fortan zum Lebensinhalt für Kirch, der bis zuletzt orchestriert, was nun seit einem Jahrzehnt vor den Gerichten hin- und herwogt. Kirchs letzter öffentlicher Auftritt, todkrank und im Rollstuhl, im März 2011 ist natürlich ein Prozesstermin.

Der scheidende Chefbanker Josef Ackermann wollte seinen Laden besenrein hinterlassen und suchte deshalb den 800-Millionen-Vergleich mit der Kirch-Witwe. Doch der ist nun an der Angst der Deutschen Bank vor ihren Aktionären gescheitert.

Das Jahr 2012 wird für Leo Kirch also anstrengend, zumal auch der Zivilprozess gegen Breuer und Co weitergehen kann: Hier hatte die Deutsche Bank per Befangenheitsantrag ausgerechnet kurz vor der Aussage von Friede Springer die Notbremse gezogen; jetzt soll das Verfahren laut Insidern aber weitergehen.

Und Reinigungskräfte, die abends die Deutsche-Bank-Towers von Frankfurt am Main putzen, berichten von einem alten Mann mit Haartolle, der in Vollmondnächten durch die Gänge geistert und murmelt: „Ich betreibe ein leidenschaftliches Geschäft, das unglaublich vielseitig, ertragreich und langfristig angelegt ist. Da ich seit 25 Jahren wegen eines Augenleidens kaum etwas sehen kann, bin ich auf mein Gespür angewiesen. Und das verrät mir: Es tut sich Großes momentan.“

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