Lenovo kauft Medion: Von IBM zu Aldi
Tabletcomputer und Smartphones machen Laptop-Herstellern das Leben schwer. Jetzt will sich der chinesische Notebook-Produzent Lenovo mit dem deutschen Anbieter Medion zusammenschließen.
BERLIN dpa | Die Marken ThinkPad und Medion sind Pioniere des mobilen Personalcomputers. Die eine hat den Laptop im Unternehmen etabliert, die andere über den Discounter Aldi im privaten Haushalt. Jetzt sollen beide zusammengeführt werden: Wenn es nach den Plänen der Beteiligten geht, kauft der chinesische ThinkPad-Produzent Lenovo Medion für 629 Millionen Euro, verdoppelt seinen Marktanteil in Deutschland auf mehr als 14 Prozent und wird so hinter HP und Acer zur Nummer drei auf dem PC-Markt in Deutschland.
Doch dem PC-Markt stehen schwere Zeiten bevor. "Die meisten Hersteller waren schon vom Weihnachtsgeschäft enttäuscht, das hat sich im ersten Quartal weiter fortgesetzt", sagt ein Branchenvertreter. "Die Lagerhallen vieler Distributoren und Händler sind zum Teil immer noch gefüllt mit alten Geräten. Mit der Sandy-Bridge-Technik von Intel steht zugleich eine neue Generation von Produkten bereit, und viele wissen nun nicht, wohin mit den alten Geräten."
Vor allem aber setzt der Boom bei Smartphones und Tablet-Computern dem Geschäft mit Notebooks zu. In Westeuropa ist der PC-Absatz im ersten Quartal um 17,8 Prozent eingebrochen, wie die Marktforscher von Gartner ermittelt haben. Auch in Deutschland gab es mit minus 16,5 Prozent erstmals seit 2001 wieder einen zweistelligen Absatzrückgang.
Das erste ThinkPad wurde 1992 produziert. IBM wollte damals die Unternehmen vom Nutzen tragbarer Computer überzeugen. Als absehbar wurde, dass im PC-Geschäft nur noch "rasiermesserscharfe Gewinnmargen" möglich sind, wie es IBM-Sprecher Hans-Jürgen Rehm formuliert, verkaufte IBM das ThinkPad-Geschäft 2005 an Lenovo. IBM trenne sich immer dann von Geschäftsbereichen, wenn sich die dort erreichbare Wertschöpfung verringere und die Entwicklung zu einem "Commodity-Markt" einsetze, erklärt Rehm. "Commodity" bedeutet Rohstoff - die Produktion von Notebooks setzt keine besonderen High-Tech-Kompetenzen mehr voraus.
Möglichst große Stückzahlen zu günstigen Kosten
Lenovo hingegen setzt auf die "Economy of Scale", also auf die wirtschaftlichen Effekte möglichst großer Stückzahlen zu günstigen Kosten, wie Lenovo-Manager Milko van Duijl in der Pressemitteilung zur geplanten Übernahme von Medion erklärt. Weil die Preise im harten Wettbewerb sehr aggressiv kalkuliert werden, sind die erzielbaren Gewinnmargen im PC-Geschäft seit Jahren äußerst knapp bemessen. Erfolg ist da nur mit großen Marktanteilen möglich.
Die ThinkPad-Marke wurde von Lenovo für Business-Kunden weiterentwickelt, daneben werden unter eigener Marke auch Laptops für Privatanwender gefertigt. Die Geräte werden meist von Online-Händlern wie notebooksbilliger.de vertrieben, doch bemüht sich Lenovo auch um mehr Präsenz im stationären Handel, etwa bei großen Elektronikmärkten wie Saturn. Medion ist mit seinem Vertriebspartner Aldi groß geworden, der Marke haftet daher das Discounter-Image an.
"Hier kommt ein globaler Player mit einem lokalen Riesen zusammen", sagt ein Branchen-Insider. Der Erfolg der Übernahme hänge davon ab, ob es gelingen werde, die Marke Medion über Aldi hinaus breiter zu etablieren. Beide Partner wollen auch bei Tablet-Computern mitmischen, doch bislang geben da Apple, Samsung oder HTC den Ton an.
In der Branche wird der Zusammenschluss daher auch mit Skepsis betrachtet: "Wer jetzt nicht bei der Entwicklung hin zu Smartphones und Tablet-Computern dabei ist, wird es später sehr schwer haben." Lenovo könne nur wachsen, wenn auch im Geschäft mit Privatanwendern der Erfolg einkehre, sagt Michaela Wurm vom Fachmagazin "Computer Reseller News" (CRN). "Ob da Medion die richtige Entscheidung ist, muss abgewartet werden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen