Leises Trommeln für den Euro : Holland: Abkehr vom Sparkurs gefordert
VON HENK RAIJER
Was sein deutscher Kollege Hans Eichel als „vernünftige Anwendung“ des Stabilitätspakts bezeichnet, ist für Hollands Außenminister Gerrit Zalm „eine einzige Enttäuschung“ und „mit den Regeln des Pakts unvereinbar“. „Es geht um die Frage, welchen Wert Vereinbarungen in Europa haben“, erklärte Zalm am Dienstagabend in Brüssel. „Was wir jetzt haben, ist schlecht für Europa.“ Seine Regierung erwäge wegen des Verzichts der EU auf strengere Sparauflagen für Frankreich und Deutschland, den Europäischen Gerichtshof anzurufen.
Auch Regierungschef Jan Peter Balkenende zeigte sich zerknirscht. „Absprachen sind dazu da, eingehalten zu werden. Jetzt liegt der Pakt auf Eis“, kommentierte Hollands Premierminister die Brüsseler Entscheidung. „Sollte es noch Möglichkeiten geben, sie zu revidieren, werden wir sie nutzen.“
Der Brüsseler „Kompromiss“ könnte für Berlin und Paris zum Bumerang werden. Denn indirekt werde die Entscheidung auch Auswirkungen haben auf die Verhandlungen über die europäische Verfassung, gab Finanzminister Zalm die Marschrichtung vor. „Viele Länder werden ihr Schicksal in dieser eminent wichtigen Frage nicht in die Hände der Großen legen wollen.“
Für den Kommentator der linksliberalen Tageszeitung De Volkskrant verlieren die bestehenden Kriterien des Stabilitätspakts praktisch ihren Wert. Und das sei umso bedrohlicher für den Einheitsprozess, als in Zukunft wohl auch andere Länder lockerer mit diesen Kriterien umgehen würden.
Der Gewerkschaftsdachverband FNV nutzt die Gunst der Stunde. Da Hollands Haushaltsdefizit unter drei Prozent liege, so ein Sprecher, könne die Regierung in Den Haag ja nun die öffentlichen Ausgaben erhöhen, um damit den rigiden Sparkurs abzumildern und die Wirtschaft anzukurbeln.