Led Zeppelin im Konzert: Mutterschiff des Sexismus
Am Montag spielen Led Zeppelin in London. Ihr harter Rock funktioniert heute bloß als Parodie - denn wer feiert heute noch den Schwanz als Zentrum des Universums?
L eicht kann es einem in den Künsten passieren, dass man Sex und Sexismus nicht mehr auseinander halten kann - hört man sich "Mothership" an, die Best-of-CD von Led Zeppelin, erschienen pünktlich zur großen Wiedervereinigung der Band heute Abend in London, dem Konzert der Superlative, 20.000 verkaufte Karten bei 20 Millionen Anfragen, hat man das Gefühl, im Rock seien die beiden womöglich eins. Da gibt es zum einen den Led-Zeppelin-Sound, diesen auf das Bluesschema aufgebockten Höhlenmenschengroove, der in einem fort auf- und abschwellt und immer zwischen präorgiastischer Euphorie, Höhepunkt und postkoitaler Melancholie schwankt. Und es gibt die Dinge, die Robert Plant singt, wenn er nicht gerade schreit und stöhnt.
Mit den berühmten "Im gonna give you every inch of my love" aus "Whole Lotta Love" ist man wahrscheinlich noch auf der Seite des Sex, auch wenn, wer von Sidos "Arschficksong" redet, von den Zeilen "I wanna be your backdoorman" nicht schweigen sollte. "Babe Im Gonna Leave You" dagegen, das Stück, in der Sänger einer Frau erklärt, sie solle für die kommenden Monate auf Haus und Herd aufpassen, "I aint joking woman, I gotta ramble", es rufe ihn nach draußen, spielt auf der anderen Seite. Wobei das, was ihn da ruft, meist Frauen sind, wie sie in "Black Dog" vorkommen. Fiese Schlampen, die sich auf Kosten seiner Männlichkeit amüsieren wollen, und denen die Vorfreude schon das Bein herunterläuft: "Hey, hey, baby, when you walk that way / Watch your honey drip, cant keep away."
Eine Wanderschaft, die der "Immigrant Song" als Fantasie skizziert, wie eine Wikingerhorde mordend und brandschatzend über die Lande zu ziehen: "The hammer of the gods will drive our ships to new land / To fight the horde and sing and cry, Valhalla, I am coming."
Nun kann man diese Dinge natürlich nicht trennen, die Brunftschreie von dem Schwingen der doppelhalsigen Streitaxt, das großartig stumpfe Stampfen des Schlagzeugs vom Rhythmus des Lebens, wie die Songs ihn skizzieren. Die Fantasien, die die Stücke erzählen von einem Leben zwischen Marshallverstärker und Schnapsflasche.
Tatsächlich ist das Erstaunliche an Led Zeppelin genau dies: wie vollkommen unangekränkelt von jeder Form politischer Korrektheit sie den Schwanz als Zentrum des Universums feiern. Das macht heute niemand mehr, nicht im Mainstream und nicht an den Rändern desselben. Auch Led Zeppelin selbst werden es nicht mehr können, wenn sie heute Abend auftreten. Diese Musik funktioniert heute nur noch als Zitat oder Parodie. Man kann auch historischer Fortschritt dazu sagen. TOBIAS RAPP
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