Lebensgrundlage in Entwicklungsländern: Fischkonsum als Gerechtigkeitsfrage
Europa importiert ein Viertel des weltweiten Fischfangs, das meiste aus dem Globalen Süden. Management und Verteilung müssen verbessert werden, sagt der WWF.
Im Jahr 2050 könnten sich Millionen Menschen im globalen Süden ihr Grundnahrungsmittel Fisch nicht mehr leisten, weil sie ihn exportieren müssten, heißt es in einer am Mittwoch vorgestellten Studie der Universität Kiel im Auftrag der Umweltorganisation WWF. Fischkonsum werde zur „Gerechtigkeitsfrage“.
„Wir Konsumenten sind verantwortlich, wenn wir den Fisch essen, der den Menschen im globalen Süden als Grundnahrungsmittel fehlt: Die einen brauchen den Fisch zum Überleben, die anderen können ihn sich leisten“, sagte Co-Autorin Karoline Schacht der Nachrichtenagentur AFP. „Wir fischen dem globalen Süden die Proteine weg, die wir gar nicht benötigen.“
Die WWF-Fischereiexpertin forderte ein verbessertes Fischereimanagement. Sie appellierte an die Verbraucher in Deutschland und Europa „Fisch als Delikatesse und nicht als alltägliches Konsumgut“ zu betrachten und sich beim Kauf für nachhaltige Produkte zu entscheiden.
Für die globale Ernährungssicherung von bald neun Milliarden Menschen spielt Fisch dem Report zufolge eine zunehmend wichtige Rolle. Den Prognosen zufolge werden sich im Jahr 2050 womöglich Millionen Menschen im globalen Süden wegen stagnierender Fänge und wachsender Weltbevölkerung ihr Grundnahrungsmittel Fisch nicht mehr leisten können. Es werde so teuer sein, dass sie ihren Fisch exportieren müssen, statt ihn zu essen.
Zustand der Fischbestände „besorgniserregend“
Dem Report zufolge stammen rund 61 Prozent des weltweiten Fischexports aus Ländern des globalen Südens. Allein Europa importiert wegen Überfischung der eigenen Bestände knapp ein Viertel des weltweiten Fischfangs.
Der Zustand der Fischbestände sei allerdings „besorgniserregend“. Von den wissenschaftlich erfassten Beständen gelten 31 Prozent als überfischt und weitere 58 Prozent als maximal befischt. Deshalb stagniere der weltweite Fang seit drei Jahrzehnten bei rund 100 Millionen Tonnen im Jahr.
Nach Berechnungen der Wissenschaftler kann der wachsende globale Bedarf nach Fisch aber nur dann annähernd gedeckt werden, wenn das weltweite Fischereimanagement deutlich verbessert wird. Die Gesamtfangmenge ließe sich dadurch um über 30 Prozent auf 137 Millionen Tonnen steigern.
Voraussetzung für höhere Fänge seien „eine ganzheitliche Betrachtung des Ökosystems Meer“, die Bekämpfung der Raubfischerei sowie ein effektives Fischereimanagement, „das gesunde Fischbestände zum Ziel erklärt“, und seine Regeln mit Nachdruck durchsetzt, sagte Schacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Debatte um Bezahlkarte
Hundegulasch und Auslandsüberweisungen
Nach Recherchen zum Klaasohm-Fest
Ab jetzt Party ohne Prügel
Amnesty-Bericht zum Gazakrieg
Die deutsche Mitschuld
Hilfslieferungen für den Gazastreifen
Kriminelle Geschäfte mit dem Hunger
Ausstieg aus fossiler Stromerzeugung
Ins Stromnetz müssen 650 Milliarden Euro fließen