piwik no script img

Leben mit der ÖkobilanzGanz schön kalt erwischt

Wir retten die WeltVonMarcusFranken

Öbi sitzt in der Ecke und friert. Die Heizung ist kalt, sodass ihre Lippen schon leicht ins Blauviolette spielen. Dabei lächelt sie glücklich. Kalt, aber happy.

Öbi und ich sind schon viele Jahre zusammen. Sie ist meine beste Freundin, Mitbewohnerin. Meine bessere Hälfte, und auch deshalb von meiner Frau nicht gern gesehen. Öbi ist mein Einsatz für die Rettung der Welt. Mein Besserwisser, mein guter Wille, mein schlechtes Gewissen. Öbi ist meine Ökobilanz.

Und darum freut sie sich, wenn ich schon im Vorfrühling die Heizung fast ganz runter drehe. „Du weißt, dass die Wärmeenergie die Achillesverse des Klimaschutzes ist. Da nutzt der ganze Ökostrom nichts“, doziert Öbi streng. Ich weiß es, darum ist die Heizung oft schon aus, obwohl es draußen nachts noch unter 5 Grad sind.

Meine Frau hat es gern warm. Mein Frau und Öbi werden keine besten Freundinnen mehr. Unseren Kindern habe ich sie vorsichtshalber noch nicht vorgestellt. Und unser Mitbewohner Hans beachtet sie möglichst nicht, der hat andere Probleme. Meine Frau sagt, Öbi sei einfach nur ein nerviger Korinthenkacker und rede zu viel. „Die ist ’ne olle Melmern.“ Meine Frau ist aus Sachsen, Erzgebirgsvorland. Wenn sie sächselt, widerspricht man besser nicht.

„Öbi“, sage ich also zu Öbi, „du hast ja Recht, aber das kann ich nicht machen.“ Ich bin morgens immer der erste in der Küche. Der Wecker piept und fiept um viertel vor sieben, dann wecke ich die Kinder, stupse verbal meine Frau aus dem Bett. Jetzt war ich kurz(!) duschen und stehe in Sweatshirt, Hose und Socken an der Anrichte, bibbere mich warm und schmiere Schulbrote. Die Butter, die die ganze Nacht draußen stand, ist hart wie Kruppstahl. „Was kannst du nicht?“, fragt Öbi und tut dabei so, als wisse sie nicht, worum es geht. Die Temperatur, antworte ich schwach. Innerlich drehe ich schon am Thermostat.

„Marcus!“, sagt Öbi und ich weiß, was jetzt kommt. „Ein 3-Personen-Haushalt in Deutschland gibt im Schnitt 1.400 Euro für Wärme aus, die Raumwärme braucht 70 Prozent der häuslichen Energie.“ Wir hatten den Vortrag schon. Ich weiß: Der Strom für unsere Energiesparlampen ist ein lauer Pups im Vergleich zur Wärme. Darum haben wir im Schlafzimmer 15 Grad Celsius und die Heizung fast gar nicht mehr an. Die Kinder glauben, das wäre normal. Meine Frau glaubt, ich sei nicht normal. Ich stehe zwischen den Fronten.

Das einzige was mich jetzt noch retten kann, ist die Schimmelkeule. „Öbi!“, sage ich streng: „Wir dürfen es nicht übertreiben! Wenn es in den Räumen so kalt ist, beschlagen am Ende die Wände und wir kriegen Schimmel! Wenn wir den erst mal haben, dann müssen wir wochenlang mit offenen Fenstern leben und dabei trotzdem heizen! Willst du das?“

Es ist halb acht. Meine Frau kommt in die Küche. „Guten Morgen“, gähnt sie. „Schön warm hier.“ „Willst du einen Kaffee?“, entgegne ich. Meine Frau strahlt. Öbi guckt sauer. Ihr ist es zu warm. Und dann gibt es auch noch Kaffee. Dabei hat sie mir erst vor Kurzem erklärt, das Tee viermal besser ist. Von der Klimabilanz her. Das ist eine ganz enge Freundin von Öbi.

Von Marcus Franken und Monika Götze ist soeben der Ratgeber „Einfach Öko. Besser leben, nachhaltig wohnen“ bei Oekom erschienen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen