Landtagswahl in Rheinland-Pfalz: Grüne planen großes Come-Beck
55 Prozent der Wähler in Rheinland-Pfalz halten die Skandale von SPD und CDU für wahlentscheidend. Davon könnten die Grünen profitieren und so Kurt Beck stützen.
MAINZ taz | Rheinland-Pfalz wählt am 27. März 2011 einen neuen Landtag. Fest steht, dass die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Kurt Beck - der sowohl Chef der Landespartei als auch Spitzenkandidat ist - ihre 2006 errungene absolute Mehrheit verlieren werden. Mit 35 Prozent liegt die SPD nach einer vom Südwestfunk (SWR) in Auftrag gegebenen Umfrage von Mitte Dezember gleichauf mit der CDU, in anderen Umfragen nur äußerst knapp vor ihr.
Wahlentscheidend könnte die Wahrnehmung der Skandale sein, mit der beide Parteien kämpfen. CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner versucht derzeit den Schaden der Finanzaffäre ihrer Partei einzudämmen. "Unverzüglich" werde der Landesverband eine Strafe von 1,2 Millionen Euro an die Bundestagsverwaltung überweisen, kündigte sie an.
Die CDU hatte den Landtagswahlkampf 2006 teilweise mit Geld aus der Fraktionskasse bestritten. Hatte also Steuergeld für die Partei abgezweigt, was nach dem Parteiengesetz verboten ist. Auch wenn Klöckner nun sagt, man habe "reinen Tisch gemacht", bleibt kurz vor der Wahl ein erheblicher Schaden.
Doch auch die Landes-SPD ist skandalerprobt. Die sozialdemokratische Landesregierung trägt die Verantwortung für teure Pleiten und Pannen beim Bau der "Erlebniswelt Nürburgring", einem Freizeitpark neben der Rennstrecke. Ein schon vor mehr als einem Jahr eingesetzter Untersuchungsausschuss enthüllt fast wöchentlich neue Details der Affäre, sehr zum Leidwesen der regierenden SPD. Auch eine Affäre um die Renovierung eines in Privatbesitz befindlichen Schlosses in Bad Bergzabern, die mit Steuergeld finanziert wurde, geht auf das Konto der SPD.
Die Menschen in Rheinland-Pfalz allerdings haben das alles satt. 55 Prozent gaben jüngst bei einer Umfrage an, dass die derzeitigen landespolitischen Affären "wichtig bis sehr wichtig" für ihre Wahlentscheidung im März seien. Von der Übersättigung des Wahlvolks mit hausgemachten Skandalen der (noch) großen Parteien zeugen auch die guten Umfragewerte für die Grünen, die seit diesem Herbst stabil bei 16 Prozent liegen.
Das gab es noch nie in der Geschichte des Landes. 2006 wurden die grünen "Banalos" (Kurt Beck) ja sogar aus dem Landtag gewählt und wieder zur außerparlamentarischen Opposition. Der grüne Koparteichef und Kospitzenkandidat Daniel Köbler weiß, dass der aktuelle Zulauf mit darauf zurückzuführen ist, "dass die anderen Parteien nur noch mit ihren Skandalen und mit sich selbst beschäftigt sind". Der Grüne wirbt allerdings auch mit dem eigenen Programm: "Wer uns im März wählt, kann sicher sein, dass wir für eine Energiewende, Gerechtigkeit und Qualität in der Bildung, starke Kommunen und mehr Bürgerbeteiligung kämpfen werden."
Die Grünen könnten sich ihren Partner - SPD oder CDU - wahrscheinlich aussuchen. Die zerstrittene Linke und die erodierende FDP, die auf der Fünfprozenthürde herumturnen, spielen bei der Frage der künftigen Regierungsbildung wohl keine Rolle. Koaliert werde mit der Partei, sagt Köbler, "die bereit ist, grüne Programmatik möglichst komplett mit umzusetzen". Klar sei allerdings auch, "dass der Atomkurs der Union das Gegenteil eines Koalitionsangebots an uns Grüne ist". Doch auch mit der SPD gibt es Reibungspunkte. Die Grünen kritisieren "Prestigeprojekte" der Regierung Beck, etwa eine Brücke im Weltkulturerbe Mittelrheintal oder den "überflüssigen Freizeitzirkus" am Nürburgring.
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