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Archiv-Artikel

Land spart Rettungsringe

Um 3.000 Ausbildungsplätze zu finanzieren, stoppt die Landesregierung zahlreiche Programme für Arbeitslose. Gewerkschaft: „Benachteiligte werden gegeneinander ausgespielt, das ist makaber“

VON MIRIAM BUNJES

Sie wurden von Landesgutachtern und Kommunen geprüft und als „Jobmotoren“ eingestuft – jetzt stoppt die Landesregierung mehr als 300 Weiterbildungsprogramme und Modellprojekte für Arbeitslose, Frauen und benachteiligte Beschäftigte in NRW. Die rund 40 Millionen Euro aus EU-Mitteln werden für das neue Ausbildungsplatz-Programm benötigt, teilt das NRW-Arbeitsministerium mit. 3.000 Ausbildungsplätze für „schwer vermittelbare“ Jugendliche entstehen ab November – deren Gehalt zahlen nicht die Betriebe, sondern das Land.

„Lehrstellen suchende Jugendliche gegen Arbeitslose und Benachteiligte auszuspielen, ist mehr als makaber“, sagt Eberhard Weber, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) im östlichen Ruhrgebiet. Allein in seinem Bezirk – Dortmund, Hamm und dem Kreis Unna – liegen 150 fertige Qualifizierungsprojekte für mehr als 4.000 Teilnehmer auf den Schreibtischen der städtischen Wirtschaftsförderer. „Bis letzte Woche sah es so aus, als könnten sie bald starten“, sagt Joachim Beyer von der Wirtschaftsförderung Dortmund. „Und jetzt unterliegen sie plötzlich einem Bewilligungsstopp.“

Das überraschte auch den Gewerkschaftsbund. Der hat das Sonderprogramm für Jugendliche mit initiiert. „Wir sind aber nicht davon ausgegangen, dass das Geld für die Ausbildungsplätze anderen Benachteiligten weggenommen wird“, sagt Eberhard Weber. „Hier wird mit einer Hand etwas aufgebaut, was mit dem Hintern wieder umgestoßen wird.“ Außerdem habe Finanzminister Helmut Linssen gerade erst verkündet, dass NRW mit mindestens 1,2 Milliarden zusätzlichen Steuereinnahmen rechnen kann. „Es gibt also Geld“, sagt der Gewerkschafter. „Dass das nicht in langfristige Arbeitsmarkförderung gesteckt wird, kann ich nicht nachvollziehen.“

So sieht das auch der Dortmunder Wirtschaftsförderer. „Natürlich ist es wichtig, neue Ausbildungsplätze für arbeitslose Jugendliche zu schaffen“, sagt Beyer. „Das heißt aber nicht, dass andere auf dem Arbeitsmarkt keine Hilfe mehr brauchen.“

Auch das „Werkstattjahr“ für Jugendliche hat die Landesregierung vom Bewilligungsstopp ausgenommen. Für andere Maßnahmen wird wohl kein Geld übrig bleiben. Man werde sehen, was nach einem Kassensturz noch übrig bleibe, so Eva Wüllner, Sprecherin im Arbeitsministerium. Es sei aber klar, dass die Entscheidung für das Ausbildungsprogramm deren Chancen einschränke.

Die geschassten Programme von Trägern wie der Arbeiterwohlfahrt oder den Handwerkskammern sollten nicht nur Arbeitslose bedienen. Sie sollten auch Frauen in den Arbeitsmarkt integrieren und niedrig Qualifizierten Aufstiegsperspektiven bieten. „Wir wollen die Zeitarbeit in der Druckindustrie so gestalten, dass sie keine Ausbeutung, sondern ein interessanter Job wird, mit dem man gut verdient“, sagt Bernd Benikowski vom Dortmunder Trainingszentrum Zeitarbeit. „Wenn wir unser Weiterbildungskonzept einmal entwickelt und erprobt haben, könnten wir es als Blaupause an viele Branchen weitergeben.“ Beim Konjunktiv bleibt es wohl – auch dieses Projekt wurde gestoppt.