„Land of Plenty“ und „Alexandrie ... New York“ beim Filmfest : Enttäuschte Liebe
Eine Art thematisches Nebenzentrum bilden beim Filmfest jene fünf Beiträge, welche die Veranstalter unter dem Motto „Amerika vor der Wahl“ in Beziehung gesetzt haben. Darunter finden sich zwei Spielfilme durchaus bekannter Regisseure: Wim Wenders‘ Land of Plenty und Alexandrie ... New York von Youssef Chahine. Beide handeln von der geprüften oder enttäuschten Liebe zu „Amerika“, zum „Amerikanischen Traum“ – seitens der handelnden Charaktere wie auch der Filmemacher selbst.
Bei Chahine fällt beides zusammen, ist Alexandrie ... New York doch der vierte Teil seiner filmischen Autobiographie, die eigentlich nur eine Trilogie sein sollte. Also lässt der große alte Mann des ägyptischen Films die eigene Geschichte vom Regisseur Yehia (Mahmoud Yeheda) neu durchleben – mit gebotenen Abweichungen. Heraus kommt eine auf mehreren Zeitebenen verlaufende Hommage an das klassische Hollywood, dazu eine Vater-Sohn-Geschichte ohne glücklichen Ausgang. Und nicht zuletzt Chahines pessimistische Einschätzung des amerikanisch-arabischen Verhältnisses, die ihm in Teilen der US-Presse prompt den Stempel des Antiamerikanismus einbrachte.
In Land of Plenty, in Venedig soeben leer ausgegangen, geht es Wim Wenders um die Verhältnisse in den USA, schon lange seine liebste Projektionsfläche nach dem Einschnitt „9-11“. Die Missionarstochter Lana (Michelle Williams, im Bildhintergrund) dient ihm als Identifikationsangebot für den wohlwollenden, aber staunenden Fremden: Sie kehrt nach einer Kindheit und Jugend in Afrika und dem Nahen Osten (!) in die USA zurück, in ein Los Angeles der Armut, des Hungers und der Angst.
Dort trifft sie nach einigen Schwierigkeiten auf ihren Onkel (John Diehl), eine Art Homeland-Security-Einzelkämpfer ohne Auftraggeber. Paranoid wittert er, enorm holzschnittartig gezeichnet, überall die nächste Terrorattacke. Die Überführung eines ermordeten Arabers muss da zur Familien-Zusammenführung dienen. Zuweilen mit eher grobem Keil ausgeführt, ist Wenders‘ so löbliches wie wohlfeiles Hinterfragen von Sein und Wollen der selbst ernannt größten Demokratie auf Erden zuweilen schon arg didaktisch geraten.
Nachtrag: Aus „lizenzrechtlichen Gründen“ wurde Antonia Birds The Hamburg Cell kurzfristig aus dem Filmfest-Programm genommen. Dieses Dokudrama über die 9-11-Attentäter trug das „Amerika vor der Wahl“-Label zwar gar nicht. Über das Bild vom Anderen, über die Vereinigten Staaten und ihre Versprechungen und Anmaßungen indes gibt es auch darin Einiges zu erfahren. Alexander Diehl
„Land of Plenty“: Sa, 20 Uhr, Cinemaxx; „Alexandrie ... New York“: Do, 30. September, 19 Uhr, Abaton