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Länderfusion versinkt im Finanzloch

■ Vereinigungsgespräche kommen nicht voran/ Zustimmung Brandenburgs von finanzieller Sicherheit abhängig/ SPD entscheidet am Wochenende

Berlin. Die Vereinigung der Länder Berlin und Brandenburg steckt in der Klemme. Wenn es nach dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen ginge, würden jetzt Nägel mit Köpfen gemacht und »möglichst konkret ausformulierte Eckpunkte für einen Neugliederungsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg« in Angriff genommen, doch die Brandenburger Seite hält auf Distanz. Dort beunruhigen die Milliardenverluste, die im Falle der Länderfusion drohen.

Wenige Tage, bevor die gemeinsame Regierungskommission der beiden Länder am kommenden Montag zu ihrer dritten Sitzung zusammenkommt, wurde in der Senatskanzlei eine interne Zwischenbilanz der bisherigen Zusammenarbeit gezogen. Darin werden die bislang »vertraglich fixierten Ergebnisse«, wie der Rundfunkstaatsvertrag, auf der Haben-Seite verbucht. »Zu den wichtigen, derzeit in Arbeit befindlichen Vereinbarungen« zählt man u.a. die gemeinsamen Akademien der Wissenschaften und der Künste.

»Erschwert, beziehungsweise teilweise unmöglich« ist nach Einschätzung des Senats hingegen die Klärung der Finanzfragen, denn nicht nur Berlin und Brandenburg streiten sich um die Verteilung der Einnahmen und Ausgaben, sondern auch der Bund und die übrigen Länder haben ein gewichtiges Wort mitzureden.

Denn bislang wird der Berliner Landeshaushalt noch mit 13 Milliarden Mark aus Bundesmitteln subventioniert. Diese Summe soll bis 1995 sukzessive abgebaut werden, weil dann zwischen den Ländern und dem Bund die Verteilung des ihnen zustehenden Steueraufkommens, der sogenannte Länderfinanzausgleich, neu geregelt wird.

Beide Länder sind daran interessiert, das Volumen der aus Bonn fließenden Gelder zu erhalten. In dieser Woche haben Berlins Finanzsenator Elmar Pieroth und sein brandenburgischer Kollege Klaus-Dieter Kühlbacher die Marschrichtung festgelegt. Danach soll versucht werden, die Berliner Subventionen lediglich in dem Maße abzubauen, wie dieser Verlust durch Steuereinnahmen kompensiert werden kann. Dieses Begehren wird mit den Kosten der ehemaligen Halbstadt West-Berlin begründet, die in Zukunft fortwirken.

Als »Königsweg« wird in einem internen Strategiepapier die Umwandlung der Berlinhilfe in eine »Hauptstadthilfe« angesehen. Nach dem Vorbild Bonns würde dann die Stadt auf Dauer wieder am Tropf des Bundes hängen. Im Bundesfinanzministerium steht man solchen Überlegungen allerdings ablehnend gegenüber. Eine Finanzierung der Kosten die mit dem Regierungsumzug zusammenhängen, so eine Sprecherin, könne nicht über globale Zuweisungen an Berlin erfolgen. Sie verweist auf den Beschluß des Bundeskabinetts vom Januar 1991, wonach die Bundeshilfe bis 1995 abzubauen ist.

An dieser Beschlußlage könnte auch der zweite, der »realistische Weg« scheitern, den sich der Finanzsenator überlegt hat, um den Sonderstatus Berlins zu erhalten. Dieser sieht eine »Erstreckung des Stadtstaatenprivilegs auf die Kommune Berlin im Flächenland Brandenburg« vor. Dieses Privileg räumt den Stadtstaaten die 1,35fache Zuwendung pro Einwohner aus den Mitteln des Länderfinanzausgleiches ein. Diese Mehreinnahme von 3,8 Milliarden Mark will Pieroth auch dann für Berlin gesichert wissen, wenn die Stadt kein Land mehr ist.

In diesem Fall würden allerdings auch drei Viertel des Berliner Steueraufkommens in den Brandenburger Landeshaushalt fließen, vom Rest ließe sich noch nicht einmal die Verwaltung bezahlen — für Pieroth ein »Kernproblem«, das noch zwischen den beiden Partnern zu klären ist.

Für Kühlbacher sind verbindliche Zusagen des Bundes und der Länder zu dem Stadtstaatenprivileg und der Bundeshilfe Voraussetzungen für ein Zusammengehen seines Landes mit Berlin. Denn sonst würden die Berliner Ausgaben den Landeshaushalt von Brandenburg mit 19 Milliarden belasten. Wegen dieser finanziellen Last hatte sich bereits Umweltminister Matthias Platzeck gegen eine Länderfusion ausgesprochen. Diese Zahlen dürften auch von entscheidender Bedeutung sein, wenn die brandenburgische SPD an diesem Wochenende zu ihrem Landesparteitag in Templin zusammenkommt. Sie will dann über das Zusammengehen mit Berlin entscheiden. adn/dr

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