Länder reagieren auf Uni-Proteste: Gaaaanz viel Verständnis
Der Unistreik zeigt Wirkung: Einen Tag nach den bundesweiten Protesten stellen in der taz fast alle zuständigen Landesminister den Studierenden Zugeständnisse in Aussicht.
Der Protest von 85.000 Studierenden vom Dienstag zeitigt erste Wirkung: Zahlreiche Landesminister kündigten am Mittwoch in der taz Maßnahmen zur Verbesserung der Studiensituation an. Hauptziele der Studierenden waren die Verbesserung der Studiensituation, weniger Arbeitsbelastung und eine Veränderung des starren und überfrachteten Bachelorstudiums.
Die Hamburgische Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) kündigte Veränderungen beim Bachelor an. "Ich kann mir eine Verlängerung der Studienzeit in einigen Fällen auf bis zu acht Semester vorstellen", sagte sie. Auch denke man über eine Ausweitung der Wahl- und Wahlpflichtbereiche nach. "Dadurch ermöglichen wir Studierenden Auslandsaufenthalte oder Praktika neben dem Studium."
Gundelach erklärte außerdem, dass sich eine Arbeitsgruppe am 11. Dezember mit Vertretern der Hochschulen und der Studierenden treffen werde, um mit ihnen über konkrete Maßnahmen zu diskutieren. "Dabei werden wir die Forderungen und Vorschläge der Studierenden aufgreifen", sagte sie.
Auch die parteilose sächsische Staatsministerin für Bildung, Sabine von Schorlemer, sagte, "der Abschluss eines Bachelors muss nicht zwingend in sechs Semestern erfolgen". Schorlemer gestand ein, dass es auch in Sachsen gelte, den Bologna-Prozess "zu optimieren". So solle etwa die Anerkennungspraxis für Abschlüsse an Hochschulen flexibler gehandhabt werden. Ihr saarländischer FDP-Kollege Christoph Hartmann sagte zu einer möglichen Verlängerung der Studienzeit: "Ich bin da offen." Der thüringische Bildungsminister Christoph Matschie (SPD) erklärte, wenn es fachlich nötig sei, "ist eine Verlängerung auf acht Semester möglich".
Auch der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg schloss nicht mehr aus, die Studienzeit länger gestalten zu können. "Vorstellbar ist, von der strikten Grenze von fünf Jahren für Bachelor und anschließendes Masterstudium abzuweichen.
Das einst als Kern der Bologna-Reform eingeführte dreijährige Bachelorstudium verliert damit weiter politisch an Unterstützern. Doch auch in anderen Kritikpunkten der Studierenden zeigten sich die zuständigen Minister am Tag nach den bundesweiten Protesten - zumindest offiziell - einsichtig.
So kündigte der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch eine Verringerung der Arbeitsmenge im Studium an: "Wir werden die Prüfungsbelastung reduzieren. Auch die Stofffülle werden wir kritisch überprüfen." Zudem sagte der FDP-Politiker der taz, Bayerns Hochschulen seien angehalten, "die Anerkennungspraxis der Leistungen großzügiger zu gestalten um die Mobilität der Studierenden zu erhöhen".
Der neue schleswig-holsteinische Wissenschaftsminister Jost de Jager (CDU) gab ebenfalls zu, dass bei der Prüfungsdichte als Reaktion nachgebessert werden müsse.
Er habe "Hochschulen aufgefordert, stofflich überfrachtete Studiengänge und zu hohe Prüfungsbelastungen zu vermeiden". De Jager verwies darauf, dass sein Bundesland bereits im Sommer die Hochschulen auf Mängel hingewiesen habe: "Auf diesem Wege müssen die Hochschulen die Bachelor/Master-Reform nachsteuern."
Dieser Meinung schloss sich auch die Bremer Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) an. Es sei sinnvoll, die Stofffülle zu reduzieren, auch die Anzahl der Prüfungen müsse auf den Prüfstand.
Zuvor hatte bereits der niedersächsische Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) Reformen beim Bachelor angekündigt. Es gehe darum "die Kleinteiligkeit der Studieninhalte aufzubrechen", sagte Stratmann der Oldenburger Nordwest-Zeitung. Er schloss sich auch der Forderung nach einem erleichtertem Wechsel der Universitäten an und plädierte für geringere Prüfungsdichte.
Damit scheinen die Massenproteste vom Dienstag in der Politik angekommen zu sein. Offenbar von der hohen Resonanz der zweiten Streikwelle in diesem Jahr überrascht, hat die Diskussion um die Bologna-Reform durch den Aktionstag neuen Schwung erhalten.
Wie in Hamburg werden in mehreren Bundesländern Treffen mit Vertretern von Studierenden, Politik und Wissenschaft angeregt. Der Thüringer Minister Christoph Matschie plant zudem das Ende der Verwaltungsgebühren. Dies solle im Dezember in den Landtag eingebracht werden.
Ob es einen wirklichen Durchbruch in der Bildungspolitik gibt, ist indes fraglich. Schon im Juni hatten 200.000 junge Menschen protestiert, es gab Treffen auf allen Ebenen, und auch damals eine Menge Zuspruch aus der Politik.
Passiert ist seitdem fast nichts.
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