■ Die Anderen: La Repubblica, die Süddeutsche Zeitung und die FAZ über die Äußerungen Günter Grass', die Berliner Zeitung über den Streit bei den Grünen
Die Zeitung „La Repubblica“ aus Rom kommentierte gestern den Streit um die neuesten Äußerungen des Schriftstellers Günter Grass: Ein Intellektueller, der die Außenpolitik der Bundesrepublik, die Behandlung der Fremden in Deutschland kritisiert..., läuft Gefahr, Beleidigungen und einer Kritik am Rande der undemokratischten moralischen Lynchjustiz von seiten der Regierung und der Partei des Bundeskanzlers ausgesetzt zu sein. Dies ist gestern in Deutschland passiert, mit dem schweren Zusammenstoß zwischen Günter Grass und Regierungssprecher Peter Hausmann sowie dem CDU-Generalsekretär Peter Hintze. ... Es handelt sich um schwerwiegende und übertriebene Vorwürfe, aber in einer westlichen Demokratie muß man diese von politisch engagierten Intellekuellen erwarten und tolerieren.
Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt dazu: Es wäre schön, wenn man Günter Grass, Kemals Laudator, bei seiner bitteren Anklage gegen die Regierung widersprechen könnte. Man kann es nicht: Deutschland exportiert Waffen in den kurdischen Krieg und importiert damit den türkisch-kurdischen Konflikt nach Deutschland. Der Kanzler hat den großen Mut gelobt, mit dem Kemal in der Türkei für das Miteinander von Türken und Kurden eintritt, mit dem er Gefängnis und Folter ertragen hat. Kohl selbst sollte den kleinen Mut aufbringen, endlich die Widerstände der CSU zu brechen und das Staatsbürgerschaftsrecht zu reformieren. Das wäre auch ein Friedenspreis.
Die „FAZ“ hält dagegen: Nahezu ein Horrorbild hat Günter Grass in seiner Laudatio auf Kemal von Deutschland gezeichnet. Es kontrastiert merkwürdig zu der Anziehungskraft, die dieses Land – mehr noch als alle anderen westliche Länder – auf viele ausübt? Die Schlepper wissen, warum. Darf man keine realistische Asylpolitik betreiben, nur weil rechtsradikale Schläger das mißverstehen? Deutschland hat vor kurzem achtmal so viele Bosnier aufgenommen wie andere Länder zusammen. Zeugte das von fremdenfeindlicher Politik?
Die „Berliner Zeitung“ über den Streit bei den Grünen: Sie müssen sich aber auch davor hüten, grau und verwechselbar zu werden. Wenn sie sich selbst das Streiten verbieten, begeben sie sich einer ihrer wichtigsten Eigenschaften, die sie für Wähler, Medien und auch für die anderen Parteien in der Vergangenheit attraktiv gemacht haben: ohne Rücksichtnahme auf den aktuellen Mainstream eigene Konzepte für die Lösung politischer und gesellschaftlicher Probleme zu entwickeln. Daß die Grünen nicht nur in der Umweltfrage, sondern in vielen anderen Feldern von der Energie- über die Verkehrs- und Frauenpolitik richtig lagen, zeigt sich daran, daß SPD, FDP und sogar die CDU deren Programme Jahre später abkupferten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen