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Archiv-Artikel

LÜGEN-AUSSCHUSS: DIE ANDEREN SIND AUCH NICHT BESSER Eichel muss nicht bangen

Wenn Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) heute im „Lügenausschuss“ des Bundestages wortreich seinen haushaltspolitischen Wissensstand vom letzten Spätsommer erläutert, wird das am Sachverhalt nicht viel ändern: Zu 90 Prozent können wir davon ausgehen, dass der Herr Minister die Öffentlichkeit für dumm verkauft hat und ihm schon vor der Bundestagswahl vom 22. September klar war, dass die Verschuldungsgrenze des Maastricht-Vertrages überschritten werden würde.

Für die Opposition im Bundestag hat damit der Untersuchungsausschuss Wahlbetrug ein wesentliches Ziel erreicht. Er hat starke Belege zu Tage gefördert, dass die Regierung systematisch Falschinformation betrieb, um die Wahl zu beeinflussen. Denn Beamte des Finanzministeriums räumten vor dem Ausschuss ein: Bereits im Juli 2002 zeichnete sich deutlich ab, das die Maastricht-Hürde gerissen würde. Eichel verkündete bis kurz nach der Wahl das Gegenteil.

Trägt die Union nun also einen glorreichen Sieg über die Regierung davon? Nein. Jeder Finanzminister der jetzigen Opposition hätte es genauso gehalten wie Eichel. Es ist hierzulande üblich, das Verhältnis von Wahlchance und Ehrlichkeit so zu definieren, dass Letztere der Ersteren schadet. Nur so sind im Übrigen die kostenträchtigen Versprechungen zu interpretieren, mit denen die Union vor der Wahl Stimmen holen wollte, obwohl auch ihr die miese Haushaltslage bekannt war. So bringt auch dieser Untersuchungsausschuss Phänomene an die Oberfläche, die nicht im Interesse derjenigen liegen, die das Gremium für ihre Zwecke zu nutzen gedenken. Auch die CDU/CSU beteiligt sich an der politischen Unkultur, der Bevölkerung noch den größten Stuss als pure Vernunft zu verkaufen.

Hans Eichel muss nicht um sein Amt bangen. Er kann mit dem tiefen Einverständnis seiner Kollegen von der Opposition rechnen. Und sie bleiben damit nicht allein: Weil das auch die Öffentlichkeit weiß, ist die relative Glaubwürdigkeit des Finanzministers nicht ausreichend beschädigt, um ihn jetzt untragbar zu machen. HANNES KOCH