LIEBESERKLÄRUNG : Ameiva aggerecusans
KAUM WIRD IN CHILE EINE NEUE EIDECHSENART ENTDECKT, IST SIE SCHON VON EINEM STAUDAMMPROJEKT BEDROHT
Die Entdeckung einer unbekannten Art ist ein Höhepunkt im Forscherleben. Wer ein Tier als Erster beschreibt, darf den Namen festlegen, unter dem es bis in alle Ewigkeit Einzug findet in die Listen und Sammlungen.
Ein deutsch-peruanisches Biologenteam vom Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig nun stieß in abgelegenen Andentälern im Nordwesten Perus auf zwei bislang unbekannte Ameiven, das sind eidechsenartige Reptilien aus der Gruppe der Schienenechsen. Getauft wurden die hübschen, tagaktiven Insektenfresser auf die Namen Ameiva aggerecusans und Ameiva nodam.
Hinter den latinisierten Artnamen verbergen sich aber nicht wie üblich Würdigungen verdienter Kollegen oder prägnanter Merkmale der Tiere, sondern eine handfeste politische Forderung. „agger“ ist das lateinische Wort für Damm, „recusare“ dagegen bedeutet zurückweisen – der Reptilienname richtet sich gegen ein geplantes Staudammprojekt, das den Lebensraum der Echsen vernichten und diese kurz nach ihrer Entdeckung ausrotten würde. Damit das auch den altsprachlich weniger gebildeten internationalen Entscheidungsträgern klar wird, ist Echse Nummer zwei noch plakativer getauft worden: „nodam“ ist schlicht eine Zusammenfügung des englischen „no dam“: kein Staudamm!
Da sage noch jemand, Forscher lebten nur in ihrem Elfenbeinturm. Schade, dass in Deutschland mit wirklichen Neuentdeckungen eher nicht mehr zu rechnen ist: Eine Kröte etwa, die im Artnamen „Nein zur Großen Koalition“ sagt, wäre doch wirklich zu entzückend – und praktisch unschluckbar. HEIKO WERNING