LESERINNENBRIEFE :
Erfolgreiche Gewerkschaftsarbeit
■ betr.: „Die Ellbogen-Gewerkschaft“, taz vom 19. 5. 15
Richard Rother sieht die GDL als Ellenbogengewerkschaft, die „eigentlich“ einen politischen Streik plane. Um dieses Argument zu stützen, muss aber der Kommentator eine gewagte Konstruktion wählen: Die Lokführergewerkschaft wolle ein Gesetz sabotieren, das demnächst (wenn es denn verfassungsgemäß zustande kommen sollte) ihr Streikrecht beschränken würde. Ein gegenwärtig noch auf einen Tarifvertrag ausgerichteter Streik werde zum politischen Streik, weil er nach einem gewerkschaftlichen Erfolg das Gesetz aushebeln würde.
Rother übersieht allerdings, dass ein Tarifeinheitsgesetz erst durch die erfolgreiche Gewerkschaftsarbeit der GDL und anderer kleinerer Gewerkschaften auf die Agenda gesetzt wurde. Weil diese Organisationen ganz praktisch bewiesen haben, dass eine bessere gewerkschaftliche Politik möglich ist, wollen nun CDU/CSU, SPD und einige DGB-Gewerkschaften diese Erfolge der kleinen Organisationen mit gesetzlichen Mitteln unterbinden.
Entscheidet man sich für die letztere Einschätzung, dann wird klar, warum auf absehbare Zeit kein Tarifkompromiss möglich sein wird. Es liegt nicht an den Ellenbogen der Lokführer, sondern an der politisch verordneten Handlungsunfähigkeit der Arbeitgeberseite. Schließlich ist die Deutsche Bahn zu 100 Prozent im Besitz des Staates. Und wenn gegen ein Staatsunternehmen gestreikt wird, dann ist die Politik nicht weit entfernt. RAINER MEYER, Bonn
Die Anbetung der Technik
■ betr.: „Kretschmann im Wunderland“, taz vom 23. 5. 15
Wieso muss Kretschman nur so was Peinliches sagen: „Die sind nicht grün im romantischen Sinne, dass man Käfer und Kröten schützt“, „Das hat etwas Technisches. Die machen hier effizientes Öko.“ Da alles mit allem zusammenhängt, dient das angeblich ach so romantische „Käfer und Kröten schützen“ dem Umweltschutz und damit auch dem Menschen. Gerade die Anbetung der Technik hat letztendlich auch dafür gesorgt, dass es zum Beispiel in Kalifornien ein Wasserproblem gibt, das müsste Kretschmann als Grüner ja eigentlich wissen. Und offensichtlich haben sie dieses Problem im Silicon Valley trotz aller Ideen und Milliardeninvestitionen bisher nicht gelöst. MANUELA KUNKEL, Stuttgart
Europa verfehlt Veranwortung
■ betr.: „Dschihad statt Demokratie“, „Im Fadenkreuz Europas“, taz vom 22. 5. 15
Karim El-Gawhary schreibt, dass der IS nicht zu stoppen ist, „solange man diesen Kampf abgehalfterten, korrupten arabischen Regimen überlässt … Die schaffen den Terror schneller, als sie ihn bekämpfen können.“ Die sind aber „unsere Sicherheitspartner“!
Und Barbara Lochbihler zeigt den mörderischen Irrsinn der europäischen Flüchtlingspolitik, die Flüchtlinge zur „sicherheitspolitischen Bedrohung“ der europäischen Wohlstandsinsel erklärt, und die Fluchthelfer militärisch vernichten will, statt Ursachen der Flüchtlingsströme zu bekämpfen, oder besser Flüchtlingshilfe und Flüchtlingsaufnahme als Chance für Europa zu begreifen.
Liest man die beiden Artikel zusammen, erkennt man, wie Europa, oder konkret Steinmeier, Merkel usw. ihre Verantwortung verfehlen, die vielbeschworenen Werte verraten und die Definition Europas Pegida, Le Pen und Konsorten überlassen. Aber es ist auch deutlich zu erkennen, dass diese europäische Politik scheitern wird. So schafft sich Europa selbst ab! BURKHART BRAUNBEHRENS, Ebertsheim
Nur noch Geldargumente
■ betr.. „Weg vom Mythos der Ersatzmama“, taz vom 22. 5. 15
Bei Barbara Dribbuschs Kommentar lief es mir kalt den Rücken runter. „Das ist nicht herzlos“, musste sie noch betonen, weil sie merkte, dass ihre Worte genauso ankommen mussten: Sie unterwirft das Wachsen kleiner Kinder konsequent der Logik der Wirtschaft und des Geldes.
Nun wünsche ich den Kita-Mitarbeitenden jeden Erfolg bei ihrem Streik. Aber in früheren Jahren hätten wir gesagt, dass die Politik, um soziale Dienste besser zu bezahlen, ihre Prioritäten verändern muss: Nur wenn weniger Geld für Rüstung oder für Prestigeobjekte ausgegeben wird, bleibt etwas fürs „Gedöns“ übrig. Bei Dribbusch dagegen gibt es nur noch Geldargumente: Die Versorgung von Kleinkindern gilt als „Investition“, deren Mütter und Väter sollen gefälligst in der Industrie dem Facharbeitermangel abhelfen. Eine Gesellschaft nach menschlichem Maß, in der überhaupt weniger gearbeitet und die Rolle des Geldes zurückgedrängt wird, kommt da nicht mehr in den Blick. GERD BÜNTZLY, Herford
Es gibt keinen Kitastreik
■ betr.: „Kita-Streik“, taz vom 22. 5. 15
Entgegen eurer Überschrift gibt es keinen Kitastreik. Was es sehr wohl gibt, ist ein Streik der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst. Hier sind die ErzieherInnen aus dem Kitabereich zwar die größte Gruppe, aber eben neben zum Beispiel Sozialarbeitern, Arbeitspädagogen in Behinderteneinrichtungen und Heilpädagogen nur eine Beschäftigtengruppe. Die MitarbeiterInnen in diesen Berufsgruppen sind dringend auf öffentliche Wahrnehmung angewiesen, da sie sonst in die Gefahr geraten, bei einem Tarifabschluss mit leeren Händen dazustehen. KLAUS WITHÖFT, Recklinghausen