LESERINNENBRIEFE :
Schnuller ist älter
■ betr.. „Das kleinere Übel? Vor sechzig Jahren erfanden zwei deutsche Mediziner den Schnuller“, sonntaz vom 8. 8. 09
Es mag ja sein, dass die beiden Ärzte vor 60 Jahren eine bestimmte Form des Schnullers konstruiert haben. Damit haben sie ihn aber nicht erfunden. Der Schnuller ist viel älter.
Um dies zu beweisen, muss man nicht in die Untiefen der ägyptischen Geschichte abtauchen. So wird beispielsweise glaubhaft versichert, dass ich (Jahrgang 1930) bis zum Alter von etwa zwei Jahren dem Schnuller verfallen war. Fotos gibt es leider nicht. Es wäre zu peinlich gewesen, den schnullernden Nachwuchs zu verewigen. Klar: Man war sich auch damals der Risiken bewusst. Noch etwas älter: Mein Schwiegervater (1905 bis 1982) wurde nahezu ein Leben lang damit gehänselt, dass er bei seiner Einschulung (und noch Wochen später) mit dem Schnuller im Mund das Abc lernte. Bis die Lehrerin eingriff – so geht das nicht.
Meine Tochter hat mit einem Trick drei ihrer Kinder vom Schnuller entwöhnt: Nachts kam die Schnullerfee und holte das Ding ab und ließ dafür ein kleines Geschenk da (Buch, Malstifte, Kuscheltier o. Ä.). Das vierte Kind, der kleine Mio, nahm weder Schnuller noch Daumen.
PAULHEINZ GRUPE, Mönchengladbach
Schnuller von 1865
■ betr.: „Das kleinere Übel?“
Der Schnuller wurde mitnichten 1949 erfunden (das waren die BRD und die DDR), sondern 1865 von Wilhelm Busch! „Hier hast du ihn! Nun sei hübsch still, / Weil ich die Wäsche trocknen will.“ (Wilhelm Busch, Bildgeschichte von 1865 „Der Schnuller“)
ERNST-GOTTFRIED BUNTROCK, Berlin
Wenig Begeisterung
■ betr.: „Trittin gegen Steinmeier“, taz vom 10. 8. 09
Zugegeben, die derzeitige Bundesregierung ist ein Desaster, und ihr Krisenmanagement wirkt dilettantisch. Jürgen Trittin stände es jedoch gut zu Gesicht, hierzu zu schweigen. Schließlich waren es die Gesetzesinitiativen der rot-grünen Vorgängerregierung, die das derzeitige Elend erst ermöglicht haben.
Erinnert sei an die Förderung von Spekulation mit Finanzderivaten, an massive Steuerentlastungen für Vermögende, an Sozialabbau und die Weigerung, Mindestlöhne einzuführen. Das alles weckt wenig Begeisterung für ein weiteres Mal Rot-Grün, noch dazu mit den Verantwortlichen von damals, zu denen Trittin ebenso gehört wie Steinmeier.
FRANK SCHNIEDER, Osnabrück
Mehr als drei Optionen
■ betr.: „Die drei Optionen“, Kommentar von Ralph Bollmann, taz vom 10. 8. 09
Wie ernst ist SPD und Grünen der Wunsch nach Veränderung? Rein rechnerisch existieren ja durchaus mehr als die genannten drei Optionen. Solange SPD und Grüne sich jedoch auf den Wettstreit darum beschränken, wer von ihnen zusammen mit der CDU/CSU unter Angela Merkel die nächste Bundesregierung bilden darf, ist ein Politikwechsel chancenlos. Eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Gelb für eine ökologische Wende und mehr soziale Gerechtigkeit wäre durchaus realistisch – unter Einbeziehung der Linken. VERA BÖPPLE, Berlin
Drei Lieben
■ betr.: „Polyamory. Schon wi(e)der Monopolliebe“, sonntaz vom 8. 8. 09
Das Thema ist so aktuell, wie es alt ist. Man kann nicht nur mehrere Menschen lieben, sondern alle – die Religionen fordern das sogar. Unterscheidung hilft, sich im Chaos von Liebe und was alles so heißt, zurechtzufinden. Denn Liebe ist nicht nur verschieden intensiv. Die alten Griechen unterschieden drei: Eros, Philia, Agape – die körperliche (erotische, sexuelle), die seelische („geschwisterliche“ oder Herzensliebe) und die geistige (zu einer Philosophie, Ansicht, Lehre, Idee) – „Kopf, Herz und Bauch“ in neuer Terminologie. Man kann alle Verirrungen, Probleme und Monstrositäten auf dem Gebiet als Vermengung oder Verwechslung der drei begreifen, garniert mit Besitzergreifen, Lüge und vielleicht noch Gewalt.
Die Reduktion von Beziehung auf eine Person, die Institutionalisierung und damit Moralisierung davon haben allein praktische Gründe (Sicherheit, Überschaubarkeit, Beherrschbarkeit). Mit wachsender Liebesfähigkeit und Reife einer Person oder Kultur relativieren und erübrigen sie sich. Ohne ein gewisses Quantum der mittleren geht gar nichts, mit ihr geht alles. In der Tat sind wir frei, immer wieder neu zu wählen und zu entscheiden, ob solo, seriell, parallel monogam oder gleich … Auch Vielfalt gibt Sicherheit, dazu mehr Spaß und Lust, Leben im Überfluss? Treue heißt etymologisch (hieß früher) Wahrhaftigkeit (vgl. true), Keuschheit Bewusstheit (vgl. conscious), das Servieren der Unwahrheit ist Betrug. Man hat uns die Dinge verdreht. Ehrlichkeit und gegenseitiges Einverständnis sind in der Tat Voraussetzungen guter Beziehung und vermeiden Verletzungen.
Kein Wunder, dass das Schema der „großen“ Liebe und ewiger Monogamie vor Kitsch trieft, triefen muss, um drauf reinzufallen, und so selten funktioniert, und wenn, dann um einen hohen Preis, und je mehr, je länger wir leben. Aber schon kleinen Kindern macht man das Märchen weis. Dabei kennen schon sie alle drei. GERHARD RUDOLF, Bad Homburg v. d. Höhe