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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Es läuft alles verdammt gut hier

■ betr.: „Neuer Sonntagsredner im Amt“, taz vom 19. 3. 12

Über Herrn Gauck wird sich der transparente Wutbürger hoffentlich noch wundern. Der Mann weiß zum Glück zu schätzen, was Politiker und ehrenamtlich engagierte Bürger in diesem Land leisten. Ja, es gibt auch hier viele Probleme, aber im Hinblick auf die Größe, die Einwohnerzahl und der Heterogenität dieser Gesellschaft läuft es schon alles in allem verdammt gut und wir können froh und glücklich darüber sein, hier zu leben. Das ist auch ein Verdienst der vom Volk allzu oft gedissten Politikern! MARKUS MEISTER, Berlin

Nur ein Zählappell am Sonntag

■ betr.: „Neuer Sonntagsredner im Amt“,. taz vom 19. 3. 12

Da ist unser neuer Bundespräsident Joachim Gauck leider zu kurz gesprungen. „Was für ein schöner Sonntag !“ ist gleichzeitig der deutsche Titel einer Erzählung von Jorge Semprun, in der er über seine Gefangenschaft im KZ Buchenwald bei Weimar berichtet. Der Sonntag war auch dort ein besonderer Tag, denn an diesem Tag gab es dort nur am Morgen einen Zählappell, den Rest des Tages durften die Gefangenen ungestört darben und vor sich hin vegetieren. Manchmal sollte man auch über die eigene Befindlichkeit als DDR-Dissident hinausschauen! HARTMUT SCHARF, Mainz

Tatsächlich?

■ betr.: „Jedes dritte Kind kommt per Kaiserschnitt“, taz v. 20. 3. 12

Ich habe mich sehr über den Artikel geärgert. Ich halte es für außergewöhnlich naiv, eine „Studie“ zu zitieren und das Vorstellen des „Ergebnisses“ mit „Tatsächlich aber“ einzuleiten, deren Aussage auf „18 Interviews“ beruht. Kein Wunder, dass eine solche Studie bislang und bis auf Weiteres unveröffentlicht bleibt. Die Methodik ist schlicht dilettantisch. Ich halte es für nicht angemessen, eine solche Untersuchung in einer ernsthaften Zeitung zu nennen – schon gar nicht ohne kritischen Kommentar. FABIAN DARSTEIN, Berlin

Islamophober Bürgerdialog

■ betr.: „Die Kanzlerin lauscht dem Wähler“, taz vom 2. 3. 12

Die Kritik am Bürgerdialog der Bundeskanzlerin konzentriert sich auf die Effektivität dieses Verfahrens als Instrument der Bürgerbeteiligung – mitreden heißt bekanntlich nicht mitbestimmen – und den Vorwurf der Vermischung von Regierungs- und Parteiarbeit vor der nächsten Bundestagswahl. Der „Bürgerdialog“ hat freilich auch eine höchst fragwürdige inhaltliche Dimension. Auf die Frage „Wie wollen wir zusammenleben?“ haben User bislang 5.149 Vorschläge verfasst. Am meisten Zustimmung (114.478 Stimmen, Stand 21. März 2012, 9 Uhr) findet derzeit die islamophobe Antwort des Users Thomas Martin, die am 1. Februar 2012 eingestellt wurde: „Das Thema Islam wird von Politik und Medien gründlich gemieden, Islamkritiker werden bestenfalls ignoriert, meist aber diffamiert, Islamkritik wird pathologisiert und kriminalisiert […].“ Dieses vorläufige Zwischenergebnis des Bürgerdialogs ist erschütternd. Wir erwarten von der Bundeskanzlerin eine entschiedene Absage gegen diese Form der Hetze. Wir wollen nicht in einem Land leben, in dem mit Steuergeldern Kampagnen gegen Andersgläubige finanziert werden.

DOROTHÉE DE NÈVE, Berlin

Wo, wer, welche Interessen?

■ betr.: „Der Revolutions-Coach“, taz vom 17./18. 3. 12

Auf Seite 1 verspricht die taz einen ausführlichen Bericht über die Planung von Revolutionen. Stattdessen erhalten wir auf Seite 23 einen oberflächlichen Mix von Eindrücken über Srdja Popovic, flüchtige Bemerkungen zu Aktivitäten der Organisation Otpor im Kampf gegen Milosevic im Jahr 2000 und flippige Hinweise auf späteren Regime Change in Georgien, der Ukraine usw. Etwas mehr Recherche dürfen taz-Leser schon erwarten. Wo wurden die Flugblätter hergestellt, die Otpor im jugoslawischen Wahlkampf einsetzte? Wer genau waren die amerikanischen Geldgeber, die nur nebenbei erwähnt werden? Welche Interessen artikulierten sich mithilfe von Popovic, Otpor und der Nachfolgeorganisation Canvas? Die Protestbewegungen in Jugoslawien, Georgien, der Ukraine und neuerdings in arabischen Ländern haben gewiss vielfältige Ursachen, Akteure und Profiteure von Regime Change: da hätte man gern Genaueres erfahren. MICHAEL HOENISCH, Berlin

Keine Solidarität mit Kurden

■ betr.: „Mit Hoffnung auf Besserung“, taz vom 15. 3. 12

„Kommt jetzt ein Ende des konservativen McCarthyismus in der Türkei?“, zitiert Jürgen Gottschlich auf der Medienseite einen türkischen Kolumnisten. Neben den „rund 100 Journalisten“ sitzen noch Tausende andere Köpfe der Opposition in Gefängnissen. So wie täglich über Syrien berichtet wird, sollten auch die Ereignisse von den Newroz-Feiern in Istanbul und in kurdischen Städten in der taz erwähnt werden. Laut Reuters wurde ein kurdischer Lokalpolitiker am 18. 3. in Istanbul durch ein Tränengasgeschoss getötet. Die Gesellschaft für bedrohte Völker schreibt von Gasgranaten aus Hubschraubern und mehr als 100 teils schwer Verletzten in Diyarbakir. Die Menschenmassen haben sich trotzdem nicht von der Polizei aufhalten lassen. Es gibt hier keine Solidarität mit den Kurden. JÜRGEN WESSLING, Hannover