LESERINNENBRIEFE :
Löcher in der Beweisführung
■ betr.: „Kassenfahnder. Gier frisst Hirn“, taz vom 27. 3. 12
In der „kriminalistischen“ Beweisführung von Herrn Keller klaffen riesige Löcher. Aus langjähriger praktischer Erfahrung als freiberufliche Hebamme weiß ich, dass es nur selten gelingt, einen hübschen Kreis von Frau zu Frau zu fahren, an vielen Tage ergibt sich tatsächlich (ganz legal) der erwähnte Zickzackkurs.
Vor allem aber sind die Frauen bei verschiedenen Krankenkassen versichert und die einzelne Kasse sollte nur die Anschrift ihrer eigenen Versicherten haben. Wenn sich also Herr Keller vor sein Flipchart stellt und Verbindungslinien zwischen Adressen malt, dann sind seine Daten in der Regel unvollständig oder aber es gibt da ein Datenleck zwischen den Krankenkassen. Vielleicht musste Susi zwischendurch zu einer AOK-Kundin am anderen Ende der Stadt? Mit Sicherheit muss sie nicht die Adressen der Schwangeren angeben, die nicht bei der Techniker Krankenkasse sind, sondern nur eine Gesamtkilometerzahl. Wie also Herr Keller Susis Fahrstrecke nachvollziehen und sogar ihre Tagesarbeitszeit hochrechnen will, ist mir schleierhaft.
Die durchschnittliche Kilometerzahl, die Hebammen in Deutschland täglich fahren, ist zudem keine aussagekräftige Bezugsgröße. In Ballungsgebieten sind sie kurz, es gibt auch Regionen (zum Beispiel Vorpommern), wo Hebammen an einem ungünstigen Tag mehrere hundert Kilometer zurücklegen. Eine Hebamme wie Susi, die offenbar im ländlichen Raum arbeitet, hat ohne Zweifel überdurchschnittlich weite Wege. Mit Blick auf die Unschuldsvermutung gehe ich davon aus, dass Susi korrekt abgerechnet hat. Irgendeinen Beweis für das Gegenteil gibt es nicht.
DOROTHEA TEGETHOFF, Kleinmachnow
Die armen Schweizer
■ betr.: „Schweizer wollen Rechtshilfe gegen Steuerbeamte“, taz vom 3. 4. 12
Die armen Schweizer: Wie sollen sie die Deutschen je verstehen? Die verehren Helmut Kohl, der sein Ehrenwort, lichtscheue Spender illegaler Parteigelder zu verschweigen, bis heue über alles stellt, auch über Recht, Gesetz und alle je dem Volk und vor Gott geleisteten Amtseide. Und die wollen die Schweizer Polizei hindern, internationale Finanzgangster mit allen juristischen Mitteln vor der Entdeckung ihrer alpinen Beuteverstecke zu schützen? Haben diese Steuerspitzel denn gar keine Ganovenehre im Leib? Na, wenigstens Schäuble ist verständnisvoll.
Nur komisch: Bei Bankräubern, die in der Schweiz klauen, bemüht sich auch die ehrbare Schweizer Polizei um geheime Hinweise aus dem Informantenmilieu. Wer aber für die Schweiz das im bösen Ausland Geklaute brav den Bilanzen der Eid-Genossen zuführt, wird – großes Ehrenwort – mit polizeilich garantierter Geheimhaltung beschützt. Was haben die Deutschen plötzlich dagegen? Haben sie etwa doch noch Kohl gefressen?
Ehre, wem Ehrlosigkeit gebührt. HARTMANN DOERRY, Tübingen
Mündige Bürger für Bus und Bahn
■ betr.: „Der Pendler-Wahnsinn“, taz vom 4. 4. 12
Die Pendlerpauschale könnte in eine ökologische Stellschraube umgewandelt werden. Als maximale Steuervergünstigung sollte der Betrag einer Monatskarte des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) gewährt werden.
Natürlich werden sich viele aufregen und beklagen, dass es bei ihnen kein ÖPNV-Angebot gäbe. Genau diese Situation hätte zur Folge, dass statt der internen Fahrgastbefragungen in Bussen und Bahnen eine wirkliche flächendeckende Bedarfserhebung für Bürgerschaft und Berufspendler stattfindet. Außerdem müssen die behindernden Streckenkonzessionen für die Buslinien zur Disposition gestellt werden, damit die Traditionslinien nicht länger am Bedarf vorbei fahren, sondern kundenzentrierte Angebote bieten können. Autonutzer würden zudem erfahren, wie viel kostengünstiger sie eigentlich mit Bus oder Bahn fahren könnten. Also dürfen sie sich zukünftig als mündige Bürger für den Ausbau ihrer Bus- oder Bahnlinie einsetzen. BERTHOLD NOESKE, Freiburg
Benzinpreise würden erhöht
■ betr.: „Der Pendler-Wahnsinn“, taz vom 4. 4. 12
Wenn es die Erhöhung der Pendlerpauschale denn gäbe, würden die Ölkonzerne die Gunst der Stunde nutzen, um die Benzinpreise weiter zu erhöhen. Das ist mal so sicher wie das Amen in der Kirche. RALF TOENSMANN, Münster
Rückgrat zeigen
■ betr.: „Der Pendler-Wahnsinn“, taz vom 4. 4. 12
Mensch, wer täglich mit dem Auto zur Arbeit fährt, muss doch nachdenklich werden: Welche Zukunft möchte ich meinen Kindern hinterlassen?
Das Wissen um die negativen externen Belastungen rund um den mobilen Verkehr liegt vor – der Verzicht bleibt in der Verantwortung des Einzelnen. Allen Anpreisungen und Verlockungen der Automobilbranche zum Trotz muss ich wider den Zeitgeist Rückgrat zeigen und meiner Bequemlichkeit endlich ein Ende bereiten. Verbunden mit der Forderung, die Pendlerpauschale zu erhöhen – aber nur für Bahnkunden, Fußgänger und Radfahrer!
BARBARA ERNEMANN, Kaufbeuren