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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Frau Schröder ist fehlbesetzt

■ betr.: „Glück statt Politik“, taz vom 19. 4. 12

Wenn Politiker keine ausgleichende Wirkung mehr mit ihren Maßnahmen in unserer Gesellschaft erzielen, sind sie überflüssig. Gleichzeitig stellen sie damit unser Gesellschaftssystem infrage. Es ist nachvollziehbar, dass Menschen eine Frauenquote oder auch ein solidarisches Gesundheitssystem für unnötig halten. Was nicht selbst (negativ) erfahren wird, hat keine Bedeutung. Politiker aber haben das Volk unabhängig von ihren eigenen Erfahrungen zu vertreten. Es ist wirklich schön, dass Frau Schröder „Glück gehabt“ hat. Hiermit zeigt sie aber deutlich, wie fehlbesetzt sie ist, da ihre Einschätzung nicht der Realität entspricht. CHRISTINA CISZEK, Berlin

Keine Blumen, Rechte wollen wir

■ betr.: „Glück statt Politik“, taz vom 19. 4. 12

In umgekehrtem Sinn erinnert die Überschrift stark an „Keine Blumen, Rechte wollen wir!“. Das war unser Motto an vielen Muttertagen im letzten Jahrhundert. Dafür haben wir ein Leben lang gekämpft. Inzwischen sind es viele Themen geworden, die nicht mehr im Handumdrehen bewältigt werden können. Aber wir bräuchten eine Familien- und Frauenministerin, die endlich damit anfängt, genügend Kitas für unter Dreijährige zu schaffen; sich für Teilzeitarbeit für Männer einzusetzen, eine paritätisch geteilte Elternzeit zu schaffen, sozusagen fifty-fifty für Väter und Mütter, nicht übertragbar; sich für Familiensplitting statt Ehegattensplitting stark zu machen; um die 80/90-prozentige Quote der Männer allüberall zu beseitigen, baldigst eine fixe Quote für Frauen einzuführen und, und, und.

Das alles würden viele Frauen ihrer Ministerin bei den nächsten Wahlen honorieren. HELGA KILLINGER, Gauting

Sinnfreie Zockerei

■ betr.: „Spanien spart sich Bildung“, taz vom 19. 4. 12

Als genervter Leser muss man auch in der taz solche Sätze lesen: „Trotz eines rigiden Sparhaushalts schauen (!!) die Finanzmärkte weiterhin mit Skepsis auf Spanien.“ Wer sind „schauende Märkte“? Wir reden hier von als Bankangestellte getarnten Glücksspielern, deren einziger Beweggrund Geldverdienen durch Wetten und der Bonus ist. Niemand würde Berichte über Lottospieler oder Rouletteexperten ernst nehmen. Aber über die sinnfreie Zockerei von „Investmentbanken“ wird berichtet, als wäre das sinnvolles Geschehen. Statt also den Quark von den sensiblen Märkten nachzuplappern, wäre es klasse, man erführe, warum fast kostenlose Kredite der Zentralbank straflos und ohne jede Scham von den Geschäftsbanken mit 6 Prozent weiterverkauft werden dürfen an die eigentlichen Abnehmer wie Griechenland, Spanien und andere, die folgen werden.

Da liegt der wahre Skandal, und auf den schauen die Steuerzahler mit mehr als Skepsis. UWE BARKOW, Frankfurt am Main

Strandausflug von Beach Boys

■ betr.: „Atalanta erlaubt Schießen am Strand“, taz vom 19. 4. 12

Die Überschrift entspricht fast wortwörtlich dem in allen Medien verbreiteten Text über die Entscheidung der Bundesregierung, bei der Ausdehnung der europäischen Atalanta-Mission vor der Küste Somalias auf das Festland mitzumachen. Im Artikel selbst wird dann präzisiert, dass es nicht um eventuelle Schusswechsel an dem Teil der (somalischen) Küste, der vom Meer bespült wird geht, sondern um Kampfeinsätze in einem bis zu zwei Kilometer ins Landesinnere reichenden Küstenstreifen. „Schießen am Strand“ vermittelt den Eindruck, es handle sich um eine Art Strandausflug von Beach Boys, die Piratenjagen spielen. Ich hätte erwartet, dass die taz schon in der Überschrift ankündigt, worum es sich tatsächlich handelt, nämlich um die Ausweitung eines extrem asymmetrischen Krieges, der nicht nur „zulasten unserer Soldaten und Soldatinnen“ geführt wird, wie es Trittin kritisiert, sondern unweigerlich zur Tötung weit zahlreicherer somalischer Küstenbewohner führen wird.

Und von den Überlebenden, die versuchen werden, dem Krieg durch Flucht zu entgehen, werden noch mehr als bisher im Mittelmeer ertrinken, wo eine andere europäische Mission darauf achtet, dass sie nicht nach Europa gelangen. EVA-MARIA BRUCHHAUS, Köln

Ameisen, niederes Getier

■ betr.: „Die Lust am Grusel“, taz vom 18. 4. 12

Falls Breivik vom Tätertypus des „forensisch Empathielosen“ ist, wäre der ihm gutachtlich attestierte Narzissmus nicht primär, sondern lediglich Folgeerscheinung von Unfähigkeit zu Mitgefühl. In den 1980ern machten sich US-Kids den Spaß, den Jingle des rosaroten Panthers zu betexten: „An ant, an ant, an ant – an eeeend to an ant!“ Forensisch Empathielose nehmen ihre Mitwelt vergleichbar wahr: Ameisen, niederes Getier. Im Umkehrschluss halten sie sich selbst für höhere Wesen und entwickeln Denkweisen und Haltungen, die narzisstisch aussehen, jedoch keineswegs aus einer narzisstischen (Persönlichkeits-)Störung hervorgehen. Letztere wollen gefallen, meist können sie keiner Fliege etwas zuleide tun! Erst in Verbindung mit impulsiv machenden Störungen wie Borderline kann ein gekränkter Narziss gewalttätig werden. Die forensische Psychiatrie schätzt den Anteil Empathieloser in der BRD auf 4 Prozent. Breivik ist einer, der NSU sind ein paar – Spitze eines Eisbergs, der bis vor Kurzem unbemerkt in der Mitte der Gesellschaft dümpelte.

Hier tun sich interessante Fragen nach dem Untergündigen der Alltagsideologie jener Mitte auf. WERNER BRAEUNER, Sehnde