LESERINNENBRIEFE :
■ betr.: „SPD will die Genkartoffel“, taz vom 27. 8. 09
Agrarpolitik braucht radikale Umkehr
Weil Landwirtschaft von vielen Unternehmern ausschließlich als Wirtschaft verstanden wird und nicht als verantwortlicher Umgang mit der Natur, gehört die Landwirtschaft mit zu den größten Verursachern unserer heutigen Umweltprobleme, die eine große Herausforderung für das Überleben der Weltgemeinschaft darstellen. Um nur drei zu nennen: 25 Prozent des für Ackerbau nutzbaren Bodens weltweit sind degradiert (unwiederbringlich verloren!). Wegen jahrzehntelanger Überdüngung durch Stickstoff (um möglichst wirtschaftlich zu produzieren) ist unser Trinkwasser kontaminiert, ganz zu schweigen von den Meldungen über Pestizidrückstände in Nahrungsmitteln. Nach wie vor werden riesige Flächen Urwald gerodet, um dann für wenige Jahre Soja anzubauen (dann ist der Boden degradiert), das als Futtermittel den Tierfabriken zur besseren Wirtschaftlichkeit geliefert wird. Agrarpolitik ist ein brandaktuelles, dringendes Thema (Hungerkrise, Klimaveränderung). Dieses Thema fordert innovative Ideen und eine radikale Umkehr.
Ich empfehle Bauernlobbyist Folgart dringend, den IAASTD-Weltagrarbericht 2008 zu lesen. Hier wird deutlich, ein „Weiter so!“ ist keine Alternative! Es ist ein Jammer, dass man immer noch die Parolen der „Wirtschaftlichkeit“ von vor zwanzig Jahren lesen muss. Aber wundern tut es nicht, als Diplom-Agraringenieur wird man einer von den „Experten“, die den Bauern und Bäuerinnen weltweit den Boden unter den Füßen wegziehen.
BIRGIT WILHELM, Witzenhausen
■ betr.: „Großes Fettnapfpotenzial“ von Hilal Sezgin, taz vom 26. 8. 09
Prüde Sexualmoral
Man sollte die Kirche oder auch die Moschee im Dorf lassen. Die Darstellung eines nackten, dunkelhäutigen Hinterns ist nun wirklich nicht mit Neonaziaufmärschen zu vergleichen. Die Darstellung von nackter Haut ist in einer freiheitlichen Gesellschaft auch zu Werbezwecken zu akzeptieren. Ich sehe in dem Plakat nichts Rassistisches oder Sexistisches. Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit sind bei uns nach langen Kämpfen ein hohes Gut. Das mögen Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund und prüderer Sexualmoral bitte akzeptieren. Mich stört viel mehr die Sexualisierung des Krieges! ANDREAS SCHÄFER, Solingen
■ betr.: „Großes Fettnapfpotenzial“,taz vom 26. 8. 09
Grüne schweigen
Vielen Dank für Ihre Analyse der Grünen-Reaktionen und Nichtreaktionen auf die berechtigte Kritik an dem Wahlplakat aus Kaarst! Reduktion auf „gefühlte“ Verletzungen und Zurückweisung der Vorwürfe mit Verweis auf „antirassistische und antisexistische grüne Grundsätze“ sind für mich als weißen Schwulen keine Fettnäpfchen mehr: Die Funktionalisierung von Lesben/Queers in der Reproduktion von rassifizierten und sexistischen Wahrnehmungsmustern auf besagtem Plakat harrt noch der Benennung, ebenso das Schweigen der Grünen-Prominenz zu den völlig unzulänglichen Stellungnahmen der NRW-Grünen. MATTHIAS MERGL, Berlin
■ betr.: „Opel-Rettung wird zum Politikfiasko“, taz vom 26. 8. 09
Man lässt sich von GM melken
Es ist kaum zu fassen, wie dämlich sich die Bundesregierung bei dieser Geschichte angestellt hat – und ich sage es ungern, aber die Guttenberg-Option zu Anfang wäre die beste gewesen. An der Insolvenz führte kein Weg vorbei, stattdessen lässt man sich jetzt von GM melken. Wenn man das Ganze (leicht satirisch) auf Alltagsgegenstände überträgt, wird der Aberwitz so richtig deutlich: „Ich hätte gerne deinen Opel Manta, Hammerkarre – würdest du mir den verkaufen?“ „Joah, kann man drüber reden, aber im Moment kann ich mich noch nicht so ganz dazu durchringen. Aber wenn du schon Interesse hast – die Wasserpumpe und das Getriebe sind hin, zahl schon mal die Rechnung dafür, dann sehe ich, dass du das auch ernst meinst.“ „Ja sicher, hier haste die Kohle!“ CHRISTOPH HÖTZEL, Düsseldorf
■ betr.: „Kein Weg zur Demokratie“, taz vom 20. 8. 09
Wer verantwortet die toten Soldaten?
Welcher Politiker übernimmt ernsthaft die Verantwortung für die toten Soldaten in einem Krieg, der seit vielen Jahren selbst nach Einschätzung von Generälen und Experten ohne jegliche Perspektive sowohl auf einen militärischen Sieg als auch auf eine Befriedung des Landes weitergeführt wird? Wie sieht diese Verantwortung der Politiker konkret aus? Wer glaubt ernsthaft, dass unsere Freiheit am viele tausend Kilometer entfernten Hindukusch verteidigt wird, in einem Land, das seit mehr als zwei Generationen nur Hass auf und Krieg durch ausländische Soldaten kennt? Wer glaubt ernsthaft, dass mit einem Krieg, der mehr als zehnmal so viel zivile als militärische Opfer fordert, Frieden zu schaffen ist? Dieser Krieg schafft immer nur neue Gegengewalt und Hass und gar nichts Positives. Der eskalierende Hass wird einen ersten Anschlag von hasserfüllten, radikalen Islamisten in Deutschland wahrscheinlicher machen. Friedliche Lösungen werden immer schwieriger. Wer kann guten Gewissens eine der vielen Parteien wählen, die diesen verantwortungs- und perspektivlosen Krieg befürworten, aus unseren Steuern bezahlen und immer mehr sinnlose Tote zu „verantworten“ haben? KURT LENNARTZ, Aachen