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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

„Kriegsgewinnler“ Bayern

■ betr.: „Bayern ist sich selbst am nächsten“, taz vom 18. 7. 12

Bayern hat sich doch mit der Kohle von Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, NRW zunächst einmal, seit 1950, ganz schön gesundgestoßen und mit anderer Leute Geld eine tolle Infrastruktur und prosperierende Industrie errichtet und in den Agrarstaat geholt. Erst seit ca. 1990 läuft es andersherum. Aus einem ständigen Nehmer-Land wurde ein Geber-Land. Dazu wird auch beigetragen haben, dass man den Anschluss der DDR für sich besonders profitabel gestalten und sicherlich so manches Schnäppchen zu Lasten der neuen Bundesländer machen konnte. Man sollte auch nicht aus dem Auge verlieren, dass, bedingt durch den verlorenen Krieg und die Spaltung Deutschlands, so mancher Großkonzern an die Isar geholt werden konnte, also Bayern als eine Art Kriegsgewinnler zu bezeichnen wäre.

Bayern wäre also das letzte Bundesland, das da Grund zum Meckern hätte. HARTMUT WOHLER, Berlin

Will man wirklich den Pfusch?

■ betr.: „Der Wunsch nach Maßregelung“, taz vom 17. 7. 12

Es ist schon so: Maßregelung scheint ein urdeutsches Bedürfnis zu sein (siehe auch Griechenland). Und deshalb finden es fast alle toll, dass ein kleines deutsches Gericht Abermillionen Menschen mit anderen Maßstäben mal zeigt, wo der Hammer hängt. Denkt denn wirklich keiner an die Konsequenzen, die eine strikte Durchsetzung dieses Urteils hätte? Kennen wir das nicht vom Streit über die Abtreibung? Will man wirklich den Pfusch? Ich bin unbeschnittener Atheist, der die Beschneidung von Säuglingen und Knaben für einen ziemlich unzeitgemäßen und unsinnigen Brauch hält. Ich halte diesen Brauch aber nicht für ein derart gewaltiges Problem, um mir anmaßen zu können, anderen die gleiche Denkweise vorzuschreiben. ROLAND RÖSSLER, Bielefeld

Nötige Modernisierungen

■ betr.: „Vorhaut schutzlos“, taz vom 14. 7. 12

Verschiedene Stimmen verlangen zum Thema Beschneidung Rücksicht auf Religionsgemeinschaften wegen ihrer religiösen Überzeugungen. Das ist auch gut so, solange diese religiösen Überzeugungen nicht zu Praktiken führen, die im Widerspruch stehen zu den Menschenrechten. Was spricht gegen Wallfahrten nach Mekka oder nach Lourdes? Man mag sie vielleicht belächeln, respektieren sollte man sie. Aber Menschenrechte – eine doch gute Errungenschaft! – sollten dabei beachtet werden. Diese sind in unserer Zeit nach der Aufklärung höher einzustufen als die Regeln einzelner Religionen. Zu Recht wird die katholische Kirche immer wieder angeprangert, weil sie menschenrechtswidrig Frauen diskriminiert. So sind auch Judentum und Islam zu kritisieren, weil sie Beschneidungen nicht nur dulden, sondern sogar fordern. Alle Religionen – wenn sie denn den Menschen Gutes wollen – haben immer erneut eine Modernisierung nötig, je älter sie sind, um so nötiger. GEORG FRITZEN, Düren

Zweifelhafte religiöse Praktiken

■ betr.: „Der Wunsch nach Maßregelung“ u. a., taz vom 17. 7. 12

Während du, meine geliebte Tageszeitung, dich lieber auf die Seite der strenggläubigen Menschen stellst, im Namen der Religionsfreiheit, gibt es viele, viele aufgeweckte taz-Leser, die ganz spannende und informative Leserbriefe schreiben. Für die Veröffentlichung dieser möchte ich mich herzlich bedanken. Denn durch sie habe ich den Glauben nicht verloren, dass es in diesem Land noch Menschen mit Verstand gibt, denen das Wohl des Kindes und die Unversehrtheit des Körpers mehr am Herzen liegt als zweifelhafte religiöse Praktiken. Was spricht dagegen, die Beschneidung erst ab dem 16. Lebensjahr auszuführen, so wie das ja bei Tätowierungen und Piercings auch der Fall ist? MAREN EMDE, Frankfurt am Main

Mehr als eine Blickrichtung

■ betr.: „Vorhaut schutzlos“, taz vom 14. 7. 12

Dass sich hier deutsche Politiker aller Parteien für eine Legitimierung von Körperbeschneidungen einsetzen, ist erschreckend, umso mehr, als wir in einer aufgeklärten Gesellschaft mit unveräußerbaren Grundrechten wie der Gewährung der körperlichen Unversehrtheit leben. Ein per Grundgesetz/Menschenrecht zugesichertes Recht, wie die Freiheit der Religions- bzw. Traditionsausübung, das hier ein konkurrierendes Grundrecht darstellt, kann nur so weit reichen, wie es kein anderes wichtiges Grundrecht verletzt. Andernfalls würden die Grund-/Menschenrechte im Sinne einer mehr oder weniger dominierenden Interessengruppe ausgelegt, und das wäre fatal. Es spricht nichts wirklich Unumstößliches dagegen, die Religionen in Deutschland bzw. Europa zu leben und Beschneidungen im Kindesalter hier nicht durchführen zu lassen. Toleranz hat immer mehr als eine Blickrichtung. MICHAEL GRUBE, Berlin

Grenze deutlich überschritten

■ betr.: „Verbot undenkbar“, taz vom 11. 7. 12

Wenn das Hervorheben des Rechts auf körperliche Unversehrtheit der Kinder semantisch auf eine Stufe mit den Pogromen und dem Völkermord des Nationalsozialismus gestellt wird, ist eine Grenze deutlich überschritten. Hiergegen verwahre ich mich entschieden! RAIMUND SCHORN-LICHTENTHÄLER, Datteln