LESERINNENBRIEFE :
Schule und Spaß
■ betr.: „Lernt eure Geschichte“ von Kerstin Decker, taz vom 13. 9. 12
Es ging Precht und Hüther um die Frage, welches Wissen wie vermittelt wird bzw. werden sollte. Denn der gesellschaftliche Auftrag der Schule geht über die bloße Wissensvermittlung hinaus: Die Schule soll auch Chancengleichheit herstellen. Diesem Auftrag wird sie bekanntermaßen nicht gerecht und das ist durchaus ein „Skandal“. Insofern muss sich Schule verändern – sie hat sich „in den letzten zwei Jahrhunderten“ offensichtlich nicht genug gewandelt.
Dabei ist ein „Innehalten“ sinnvoll: Denn es zeigt sich, dass auch dort, wo „Kinder unablässig ihre eigene Kreativität entdecken müssen“, unter Umständen gesellschaftliche Ordnungen unablässig reproduziert werden. Aber auch die von Kerstin Decker eingenommene Perspektive – bezüglich ihrer Auswahl eines (eurozentristischen) Kanons und eines (konservativen) Festhaltens an fragwürdigen, vergangenen Formen unseres Systems Schule – erscheint mir wenig hilfreich für einen angemessenen Umgang mit sozialer und kultureller Heterogenität. In diesem Kontext sollte gefragt werden: Welches „Wissen“, welche „Kultur“ und welchen „kulturellen Zusammenhang“ soll die Schule hüten? Welches „Wissen“, welche „Kultur“ und welche „kulturellen Zusammenhänge“ bringen die beteiligten Akteure, insbesondere die Kinder, mit? Wie kann in der Schule eine Vielfalt an „Wissen“, „Kultur“ und „kultureller Zusammenhänge“ miteinander ins Gespräch gebracht werden? Die Leistungsbewertung mittels Notengebung, das dreigliedrige Schulsystem und überlieferte Unterrichtsformen sollte infrage gestellt werden.
Und, warum sollte es dumm sein, dafür zu kämpfen, dass Schule den Kindern mehr Spaß macht? Die Neurobiologen haben gezeigt, was wir schon wussten: Wir lernen besser, wenn wir die Wissensinhalte und Zusammenhänge mit positiven Emotionen verbinden und an ästhetische Erfahrungen, die auf körperlich-sinnlichem Erleben beruhen, angeknüpft werden kann. ESTHER KROLL, Hohen Neuendorf
Schulpädagogischer Hype
■ betr.: „Lernt eure Geschichte“, taz vom 13. 9. 12
Lehrerschelte und Kritik am Schulsystem erregen unsere Gemüter als sogenannte Dauerbrenner. Sind wir doch alle einmal Schüler gewesen, jeder trägt irgendeine erlittene Kränkung aus dieser Zeit mit sich herum und nicht wenige fühlen sich berufen, hier endlich einmal aufzuräumen und „alte Zöpfe“ abzuschneiden. Das war vor hundert Jahren nicht anders, als die Reformpädagogik zum revolutionären Element gekürt wurde. Jetzt also dürfen wir dank Herrn Hüther wieder einmal einen grandiosen Neuanfang erleben. Solange Schule von Menschen gemacht wurde, konnte anscheinend nichts daraus werden. Jetzt aber kommen mit den „Potenzialentfaltungscoaches“ ganz neue Dimensionen ins Spiel.
Was ein schulpädagogischer Hype ist, wurde mir anlässlich eines öffentlichen Auftritts von Herrn Hüther vor wenigen Jahren in Freiburg zum Schlüsselerlebnis: So viel geballte Eitelkeit von allen Seiten hat mich sprachlos gemacht. Herzlichen Dank an Frau Decker, dass sie dem Thema ein paar nachdenkenswerte Sätze hinzugefügt hat. JUTTA REMPT, Freiburg
Qualität kommt nicht von Qual
■ betr.: „Lernt eure Geschichte“, taz vom 13. 9. 12
Qualität kommt nicht von Qual. Wer mühsame Wege gegangen ist, neigt zu der Annahme, dass nur steinige Pfade zu den Sternen führen; aber die Kletterunbegabten sollen nicht den Weg über die Steilwand gehen müssen, wenn auch andere Pfade auf den Gipfel führen. Gipfelerlebnisse soll man den Kindern jedoch unbedingt ermöglichen. Darum geht’s. POLYPHEM, taz.de