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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Exponierte Aufgeblasenheit

■ betr.: „Blasen zu Phrasen“ über Peter Sloterdijk, taz-Meinung vom 27. 10. 09

ihr autor rudolf walther hat ja so was von recht, unterliegt aber in einem punkt einem gewaltigen irrtum! sloterdijk kann man nicht im ergebnis einer theoretischen betrachtung zurückweisen. das perlt an ihm ab. der mann hat „nomendurchfall“, um mich auch mal an einer wortschöpfung seinesgleichen zu probieren. uns normalsterblichen lässt er keine chance, ihn zu verstehen. denn es ist nicht einfach nur schlampigkeit in der terminologie, es ist ein grad an metaphernwut bei sloterdijk, die einen von außen gar nicht entscheiden lässt, ob da der große denker spricht, der sich höchstselber versteht, wo wir alle nur ahnen können, und das wahre verständnis seiner theorie dereinst mit ins grab nimmt, oder ob dieses überego nur resultat einer selbstverwirrung ist und man das mit den „blasen“ und „sphären“ in seiner wörtlichen bedeutung nehmen muss. also ich habe mich für letzteres entschieden und schaue daher gelegentlich das philosophische quartett unter komödiantischem blickwinkel. diese exponierte aufgeblasenheit, völlig egal welcher gegenstand, ist köstlich. ich muss aber vor dem komparativ warnen. im bka-theater wurde ich mal von einer parodie auf sloterdijk überrumpelt, die hätte mich fast das leben gekostet! ich bekam vor lachen einfach keine luft mehr! INGO WITZMANN, Berlin

Gehässig

■ betr.: „Schwester Käßmann“, taz vom 30. 10. 09

Wie habe ich das zu verstehen? Am 27. Oktober bringen Sie einen ganzseitigen Artikel über Margot Käßmann mit durchaus positivem Tenor ( „Glaube, Liebe, Hoffung“) und schmücken die Titelseite mit ihrem Bild. Nach ihrer Wahl zur EKD-Ratsvorsitzenden bringen Sie auf Ihrer Wahrheit-Seite ein gehässiges Pamphlet über sie. Ist Ihnen eingefallen, dass die taz grundsätzlich kirchen- und religionskritisch ist, schämen Sie sich über Ihren positiven ersten Bericht? Dass Sie das auf Kosten einer sehr klugen und verdienstvollen Frau tun, sollte Sie beschämen. OTTO LEMPP, Steinheim

Westliche Werte

■ betr.: „Die armen Millionäre“,taz vom 30. 10. 09

Sehr geehrte Frau Herrmann, Sie berichten über die armen Millionäre und warum sich diese Geldelite beharrlich mit dem Mittelstand verwechselt. Danke für diese Aufklärung. Ist das jetzt die „Westliche Wertegemeinschaft“, auf die sich die „westlich“ orientierten Staaten stets berufen und sie stets wie ein Plakat hochhalten? Ich jedenfalls habe die „Westliche Wertegemeinschaft“ anders kennengelernt und erlebt. Die anderen Wertegemeinschaften, die es noch gibt, kenne ich nicht. Vielleicht können Sie helfen und mehr darüber schreiben. Vielen Dank. GERDA FÜRCH, Berlin

Datensammelwut der Blockwarte

■ betr.: „Datenschützer prüfen Daimler-Bluttest“, taz vom 29. 10. 09

Der Daimler-Konzern knüpft an große, 1.000-jährige Traditionen an: Damals erwies sich die Datensammelwut der Blockwarte für das Regime als äußerst nützlich. Auf der Basis geheimer Karteien ließen sich Pogrome und Nacht-und-Nebel-Verhaftungsaktionen perfekt organisieren – alles natürlich zum höheren Wohle des Vaterlandes. Etwas weniger pingelig betrachtet stellt ein Konzern etwas staatsähnliches dar und deshalb muss es ihm erlaubt sein, vor der Einstellung zukünftiger Mitarbeiter/innen deren Genstruktur zu analysieren. In diesem Sinne ist es selbstverständlich statthaft, von Bewerbern Blutproben einzufordern. Nur so kann gewährleistet werden, dass es sich bei den zukünftigen Mitarbeitern um betriebswirtschaftlich vertrauenswürdiges Personal handelt. JÜRGEN BÖCK, Wasserburg

Dünn, diszipliniert, irre?

■ betr.: „Ein Arsch voll Bass“, taz vom 29. 10. 09

Ich bekenne: Michael Jackson ist mir schnurz. Jenni Zylkas posthumes King-Bashing allerdings nicht. Durch die Kinodokumenation „This is it“, in der es um die Proben zu Jacksons Abschiedstournee geht, hat die Autorin so einige ihrer Meinungen über den streitbaren Musiker bestätigt gefunden, zum Beispiel dass er ein „Psychopath“ gewesen sei: „Man sieht es“, schreibt sie, „an den Unterschieden zu den anderen, muskelbepolsterten und in modernen, lässigen Baggy Trousers glänzenden Tänzern, man sieht es in Jacksons Verhalten, der bar jeglicher Ironie und ohne die typische US-amerikanische Coolness (sic!), ohne Joking-around mit Kollegen eine bierernste, offensichtlich manische Arbeitsmoral an den Tag legt.“ Kapiert? Wer dünn ist, diszpliniert, vielleicht ein bisschen verbissen, streckenweise humorlos und mentalitätsmäßig nicht so drauf wie der Tankstellenreiseführer behauptet, dass man sein müsste, der ist – na? – ein Irrer. Egal, was man von Michael Jackson halten mag, bestimmte Dinge waren ihm einfach schnurz. Allein dafür muss man ihn mögen. GREGOR RUNGE, Berlin