LESERINNENBRIEFE :
Sauberes Prinzip begriffen
■ betr.: „Hat die Bildungsministerin zu viel herumgedoktert“,taz vom 15. 10. 12
Ich verfasste meine 1. Staatsexamensarbeit für das Lehramt an Grundschulen im WS 1979/80 bei Herrn Prof. Dr. K. H. Berck in Gießen, damals einer der führenden Forscher im Bereich Didaktik der Biologie. Bevor Herr Dr. Berck überhaupt eine Examensarbeit seiner Studenten und Studentinnen entgegennahm, bimste er uns eine Vorlesung lang über das richtige Zitieren von Quellen, statt seinen wöchentlichen Vortrag fortzusetzen. Wir hatten all die Gänsefüßchen und Quellenverweise und Zeitangaben bis oben satt. Damals fluchten wir, allerdings habe ich dieses saubere Prinzip inzwischen völlig begriffen und gebe es auch an meine Schüler und Schülerinnen weiter.
Jetzt zu sagen, dass „Fehler unterliefen“, weil man man als Doktorand „überfordert“ war, ist eine Frechheit. Wer mit so einer stressigen Situation langfristig nicht umgehen kann, hat seinen Doktortitel in meinen Augen wahrlich nicht verdient. CHRISTIANE FLICK, Wetzlar
Schavans Zeit ist abgelaufen
■ betr.: „Schaut in die Unis, nicht auf die Dissertation“,taz vom 16. 10. 12
Ines Pohls Kritik ist ausgewogen im guten Sinn. Sie kennzeichnet den wunden Punkt: die Bildungspolitik. Symbolisch gesehen, passt ein „falscher“ Doktorgrad dazu. Und mit Blick aus dem protestantischen Württemberg würde man sagen: „Und katholisch isch se au no.“ Aber das ist hier gar nicht so flapsig gemeint, wie es klingen mag. Denn in ihrer Rolle an der Seite der protestantischen Kanzlerin hatte sie für ihren Status viel wichtigere Aufgaben als den Job Bildungsministerin. Es darf vermutet werden, dass sie eine Art Botschafterin der römischen Kurie ist.
Ohne den Einfluss des katholischen Schwäbischen Oberlandes hätte Annette Schavan keinen Wahlerfolg im pietistischen Ulm gehabt. Konfessionell beeinflusste Bildungspolitik darf es nicht geben; ob mit oder ohne Doktorgrad, Schavans Zeit ist abgelaufen!
PETER FINCKH, Ulm
Nicht so genau genommen
■ betr.: „Frau Dr. Schavan unter Druck“, „Hartz IV. Zahl steuert auf Millionengrenze zu“, taz vom 16. 10. 12
Frau Bildungsministerin Schavan nimmt es mit ihrer Doktorarbeit längst nicht so genau, wie es die Promotionsordnungen für alle vorsehen. Dabei ist es eigentlich unerheblich, ob eine Täuschungsabsicht vorliegt oder nicht.
Wer in seiner Steuererklärung, seinem Versicherungsantrag oder Sozialleistungsantrag falsche Angaben macht, dem wird sofort eine Täuschungsabsicht unterstellt – unabhängig davon, ob diese vorlag oder nicht. Für Bürgerinnen und Bürger gilt längst nicht immer die Unschuldsvermutung, die Frau Schavan einfordert.
PETER WOLTERS, Walbeck
Brillante Analyse
■ betr.: „Die fixe Idee der SPD“, taz vom 18. 10. 12
Welch eine brillante Analyse – und gut gereimt! Martin Reeh hat recht, es gibt am linken Rand der SPD gebildete Wähler, die lieber das kleine Übel wählen, nämlich Merkel, als eine bankenorientierte SPD- und Deutschlandführung. Wer ignoriert, dass es auch in Deutschland (nicht nur in Berlin) eine linke Mehrheit geben könnte – aber keine Politik für den linken Rand macht und die Linken ausschließt, hat die Demokratie nicht verstanden.
NORBERT VOSS, Berlin
Ausnahme Fleischkonsum?
■ betr.: „Die Geschichte von Carlo und dem toten Tintenfisch“,taz vom 13. 10. 12
Auch und gerade in der taz stehen so oft kluge Artikel, die darauf hinweisen, dass unser unmäßiger Fleischverzehr katastrophale Folgen für Klima, Tiere, Welternährung und die Umwelt hat. Wäre es so gesehen nicht eine gute Idee, im taz-Café statt eines vegetarischen (Frei)Tages einen Fleischtag einzuführen und damit den Fleischkonsum zur Ausnahme statt zur Regel zu machen?
CLAUDIA DOROTHEE OTTEN, Hamburg