LESERINNENBRIEFE :
Asylrecht existiert kaum noch
■ betr.: „Drohneneinsatz droht am Mittelmeer“, taz vom 27. 11. 12
Zur „Verbesserung der Überwachung der Außengrenzen“ der EU sollen weitere Millionen aufgewendet werden, wobei bereits über 100 Millionen geflossen sein sollen. Man könnte gerade meinen, dass Europa in Gefahr ist, von Horden kriegerischer Kämpfer überrannt zu werden. Dabei geht es jedoch um die Abwehr von Flüchtlingen.
Mit den vielen Millionen hätten zumindest in Afrika viele Projekte starten können, um den dortigen Menschen eine Zukunft zu geben und sie auf diese Weise von einem Aufbruch nach Europa abzuhalten. Und der Gipfel des Zynismus: die EU-Grenzschützer sollen nicht einmal in Seenot geratenen Flüchtlingen zu Hilfe kommen dürfen. Ganz zu schweigen davon, dass das Asylrecht fast nicht mehr existent ist. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel
Nur noch „bürgerliche Mitte“
■ betr.: „Die Sehnsucht, gut zu sein“, taz vom 27. 11. 12
Die Grünen sind die neue Partei der „bürgerlichen Mitte“. Die FDP wiederum versteht sich als einzig echte Partei der „bürgerlichen Mitte“, während die Union für sich beinahe proklamiert, die „bürgerliche Mitte“ einst erfunden zu haben. Der radikale Richtungsschwenk der SPD unter Gerhard Schröder hin zur „neuen bürgerlichen Mitte“ muss im Grunde gar nicht weiter erwähnt werden. Bürgerliche Mitte – soweit das Auge reicht.
Ist nun also das eingetroffen, was der konservative Soziologe Helmut Schelsky bereits in den frühen 50er Jahren mit dem Begriff der „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ prognostiziert hat? Mitnichten! Die deutsche Gesellschaft ist so zerrissen und fragmentiert wie lange nicht. Die zwanghafte Vollversammlung der politischen Klasse in der „bürgerlichen Mitte“ wird der gesellschaftlichen Struktur daher nicht gerecht. Das politische System der Bundesrepublik basiert auf der Repräsentanz, dass aber eben das Repräsentationsdefizit eine Hauptursache für die politische Verdrossenheit ist, gehört seit Jahren zum Standardrepertoire der soziologischen Erkenntnis. Wenn man vor lauter „bürgerlicher Mitte“ die Gesellschaft nicht mehr sieht, darf sich die politische Klasse auch nicht weiter über Vertrauensverlust und sinkende Wahlbeteiligung wundern. Am Ende bleibt die „bürgerliche Mitte“ politisch unter sich. Aber ist das noch die lebhafte und streitbare Demokratie, die jeder und jedem ein politisches Angebot macht, so wie sie wünschenswert und wichtig ist?
NILS MERTEN, Hannover
Nicht gerade optimistisch
■ betr.: „Offene Hintertürchen“, taz vom 27. 11. 12
Nur soviel: Lebte Goebbels noch, er wäre entzückt über „Frei.Wild“ und begeistert über ihre dumpfbackige Anhängerschaft. Von diesen verqueren Südtirolern bis zu „Die Fahne hoch…“ ist es kein allzu großer Schritt. Nicht gerade optimistisch…
REINHARD SCHARNHÖLZ, Kerpen
Verantwortung übernehmen
■ betr.: „Euros nach Athen“, taz vom 28. 11. 12
Die Finanzkrise führt uns die gravierenden Folgen neoliberaler Auswüchse der vergangenen zwei Jahrzehnte schon seit längerem offensichtlich vor Augen. Deutschland hat in den vergangenen Jahren durch massives Lohndumping, Privatisierung und Sozialabbau nicht nur hier in Deutschland, sondern bald auch in ganz Europa, ein Klima sozialer Kälte geschaffen. Es stünde Deutschland gut zu Gesicht, mal über seinen eigenen Anteil am derzeitigen Dilemma nachzudenken, anstatt mit dem Finger, auf andere zu zeigen. Uns bleibt nur, das Unabwendbare endlich nicht mehr zu verdrängen und aufzuschieben, sondern Verantwortung zu übernehmen und zu sagen „Euros nach Athen!“ MICHAELA DIEROLF, Wimsheim
Konsequentes Vorgehen
■ betr.: „Faschisten wollen Juden zählen lassen“, taz vom 28. 11. 12
Ich fordere von unserem Außenminister, aus der Verpflichtung unserer historischen Vergangenheit, ein konsequentes Vorgehen gegen solche Umtriebe, die noch nie einem Volk, sondern immer nur irgendwelchen Funktionären genützt haben. Eine Protestnote und das Einfrieren der Beziehungen wäre da angesagt. Das Problem der schwarz gelben Außenpolitik ist nur, dass sie nicht stattfindet. Es wird reagiert und nicht agiert und das Ansehen Deutschlands in der Welt hat in dieser Legislaturperiode rapide abgenommen. Wir sind wieder Gegner. CHRISTOPH KROLZIG, Moos
Westliche Werte
■ betr.: „Eine Frau wehrt sich“, taz vom 28. 11. 12
Es gibt einige Punkte, die mich an diesem Artikel stören: 1. Abtreibung wird unhinterfragt als etwas Schlechtes, als Mord dargestellt.2. Westliche Werte wie Selbstständigkeit, Individualismus und Gleichstellung der Frau werden auf eine Situation in Indien übertragen. Eindeutiges Beispiel von Ethnozentrismus. 3. Indem Mitu Khurana als positive Ausnahme dargestellt wird, wird der Rest Indiens automatisch mit definiert, mit negativen Attributen versehen.
Ich finde es gut, dass ihr über den Fall Mitu Khurana berichtet, aber überlegt euch bitte gut, welches Bild ihr mit diesem Artikel von Indien zeichnet! ALMUT HARTH, Berlin